Aromen in E-Liquids: Der massenhafte Versuch am Menschen

21.01.2024  E-Zigaretten-Aromen* haben ihr eigenes Suchtpotenzial und bergen gesundheitliche Risiken – beides muss in die Nutzen-Schaden-Abwägung für E-Zigaretten mit einbezogen werden. Auch für Nichtkonsumenten werden die Themen Belastung der Raumluft und Auswirkungen von Passivdampf an Bedeutung gewinnen, wenn die Konsumentenzahlen weiterhin steigen und der Nichtraucherschutz in Deutschland nicht konsequent erweitert wird. Ohnehin sind Tabak- und Nikotinprodukte hierzulande wieder groß im Kommen und gefährden damit das bisher Erreichte im Nichtraucherschutz.

Die Frage, ob Raucher einen gesundheitlichen Vorteil haben, wenn sie (komplett) auf E-Zigaretten umsteigen und wenn ja, wie groß dieser ist, wird seit Jahren diskutiert. Händler, Hersteller und Lobbygruppen werben vehement für die Anerkennung von E-Zigaretten als Mittel zum Rauchausstieg. Dabei beschränkt sich die Argumentation zu den Inhaltsstoffen fast ausschließlich auf das in Liquids enthaltene Nikotin, das als nicht gesundheitsschädlich bezeichnet wird. Doch abgesehen von dessen Suchtfaktor gibt es weitere gesundheitsrelevante Aussagen über Nikotin: Es kann (auch beim Vapen) beispielsweise das Immunsystem beeinträchtigen, das Gaumengewebe schädigen, Herzrhythmusstörungen hervorrufen und bei hohen Dosierungen Vergiftungen verursachen. Zu den Aromen dagegen heißt es aus interessierten Kreisen nur, diese seien unverzichtbar, da Raucher sonst wieder zur Tabakzigarette zurückkehren würden. Sie dürften auf keinen Fall beschränkt werden.

Aber ist das so? Brauchen umstiegswillige Raucher/innen und aktuelle Konsumenten und Konsumentinnen von E-Zigaretten wirklich die rund 16.000 verschiedenen Aromen(-mischungen), die es nach Schätzung von WHO-Direktor Rüdiger Krech gibt? Brauchen erwachsene Raucher wirklich Sugar Daddy, Banana Ice, Wafer biscuit, Energy drink, Unicorn candy, Fairy dust und wie sie alle heißen*? Ist es nicht so, dass Raucher von der Tabakzigarette her die Tabakaromen kennen und weiterhin nutzen würden, auch wenn es die vielen süßlichen Aromen nicht mehr gäbe?

Wie steht es mit der Transparenz für Verbraucher? E-Zigaretten einschließlich Liquids und anderer Komponenten müssen lediglich 6 Monate vor der Inverkehrbringung mit ihrer Zusammensetzung in dem EU-Portal EU-CEG mitgeteilt werden und werden nach dieser Frist gelistet. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) veröffentlicht einen Auszug dieser Liste, aktuell verzeichnet sie knapp 350.000 Einträge. Wer sich daraus Informationen zu den Inhaltsstoffen der E-Zigaretten-Liquids erhofft, täuscht sich. Die Informationen liegen, wie das Bundesamt schreibt, nicht in einer Form vor, die verarbeitet werden kann. Eine Auskunft, ob alle gelisteten Erzeugnisse den rechtlichen Anforderungen entsprechen, gibt die Liste nicht. Sie informiert nur darüber, dass für diese Erzeugnisse die Mitteilungspflicht erfüllt wurde und die sechsmonatige Stillhaltefrist zwischen Notifizierung und Markteinführung bereits überschritten ist.

Sofern Liquids und Geräte auf gesundheitliche Unbedenklichkeit überprüft werden (auch vom Bundesamt für Risikobewertung/BfR und der Lebensmittelüberwachung der Länder) kann dies ganz offensichtlich nur stichprobenartig geschehen; Frau Dr. Pieper vom BfR berichtete auf der Tabakkontroll-Konferenz 2023 des DKFZ von einem Übermaß an Herstellerinformationen und dass sogar Produkte mit verbotenen Inhaltsstoffen eingereicht würden. Dabei sind problematische Inhaltsstoffe wie z.B. Zimtaldehyd, Vanillin, Sucralose und andere gar nicht auf der Verbotsliste, werden aber vom BfR dafür vorgeschlagen. Zudem können die Aromen sowohl untereinander wie auch mit den Trägerstoffen Glyzerin und Propylenglykol reagieren, sodass daraus weitere schädliche Substanzen entstehen.

Weder ist die Wirkung der Inhalation einzelner Aromen noch deren Kombinationen ausreichend erforscht, schon gar nicht in Langzeituntersuchungen, die auf dem ständig sich ändernden  E-Zigaretten-Markt auch schwer möglich scheinen. Noch gar nicht erwähnt sind hier die illegalen Produkte, die in Massen per Onlinekauf ins Land kommen, oftmals in Täuschungsabsicht undeklariert, und in den verschiedensten Verkaufsstellen angeboten werden, die sich die hohen Gewinnmargen nicht entgehen lassen wollen.

Noch nicht bzw. nicht hinreichend untersucht wird die Rolle von Aromen in der Suchterzeugung. Klar ist: Sie führen gerade auch Minderjährige überhaupt erst zum Konsum hin, da das Liquid ohne Aromen geschmacklos und nicht attraktiv ist. Möglicherweise besteht die Erwartung, dass die überdosiert süßen Aromen das Verlangen nach Süßem ohne Auswirkungen auf das Körpergewicht stillen. Dazu kommt noch die „kühlende“ Wirkung, die unangenehme Reizungen der Atemwege maskiert und die man schon von Mentholzigaretten als mächtige Suchtverstärker kennt.

An den Aromen und auch an den Formen der von Kindern und Jugendlichen bevorzugten Einweg-Vapes – da gibt es so einige Versteck-dich-Formen, die wie Stifte oder Eis am Stiel aussehen – erkennt man ohne Zweifel, dass das E-Zigaretten-Marketing auch auf Teenager abzielt. Definitiv erfolgreich: Die Zahl jugendlicher Konsumenten hat sich in den letzten Jahren verdoppelt; insgesamt sind 11-24-Jährige die anteilmäßig größte Altersgruppe von E-Zigaretten-Konsumenten. Am Kiosk, an der Tankstelle, im Späti und auf dem Flohmarkt haben auch Minderjährige ihre Chance, an E-Zigaretten zu kommen. Oder ältere Freunde bzw. Mitschüler kaufen sie und verkaufen sie weiter, was an Schulen beobachtet worden ist.

Sieht man sich den Verkauf in Online-Shops an, fallen mehrere Mängel negativ auf, übrigens durchaus auch in großen Online-Shops von Fachhändlern der Branche:

  • meist werden die Inhaltsstoffe der Flüssigkeiten nicht angegeben
  • stattdessen suggerieren die Produktbilder, dass man sich etwas Gesundes zuführt: Früchte, Kräuter, dazu als Indikator für eine besondere „Frische“ gern auch Eiswürfel
  • oft fehlt bei nikotinhaltigen Liquids, insbesondere aber bei Einweg-Vapes, der gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweis zu Nikotin. Es gibt zahlreiche Sorten mit und ohne Nikotin – die Abbildung stellt meist die nikotinfreie Variante dar; wählt man eine nikotinhaltige Variante aus, sollte sich die Abbildung ändern, was aber nicht immer der Fall ist.
  • Käufer können üblicherweise nach Herstellern oder Aromen filtern, in vielen Fällen aber nicht nach Nikotingehalt.

Das ist nicht nur für den Jugendschutz problematisch. Verbraucher jedes Alters haben ein Recht darauf, möglichst viel über Nikotinprodukte zu erfahren. Das Angebot ist inzwischen praktisch unübersehbar, strukturierte Verbraucherinformationen fehlen. Trotzdem sind jugendliche Konsumenten die wichtigste Zielgruppe für eine Regulierung: Etwa jedes vierte Schulkind hat schon E-Zigaretten probiert; mehr Kinder zwischen 11 und 14 Jahren dampfen als rauchen, junge Erwachsene (bis 24 Jahre) sind die häufigsten E-Zigaretten-Nutzer. Dagegen sollte die größte Konsumentengruppe eigentlich unter etwas älteren, weil langjährigen Rauchern zu finden sein, da doch die Kampagnen pro E-Zigarette gerade den Schwerpunkt auf langjährige Raucher setzen, die es noch mit keiner anderen Methode geschafft haben, mit dem Rauchen aufzuhören.

Es wird nicht reichen, auf das Verschwinden billiger Einweg-E-Zigaretten Ende 2026 zu warten, wenn die EU-Batterieverordnung greift. Erstens haben wir in zwei Jahren noch viel mehr nikotinsüchtige Kinder und Jugendliche als bisher schon und zweitens ist die Batterieverordnung unschwer zu umgehen. Der bloße Gesetzesbuchstabe wird schon erfüllt sein, wenn eine Auflademöglichkeit besteht, egal, ob das sinnvoll ist oder nicht – bei nicht nachfüllbarem Liquid wäre es nicht sinnvoll. Es wird auch nicht reichen, einfach nur die Einweg-Vapes bereits früher zu verbieten, sogar wenn das von der Bundesregierung gewollt wäre. Der Markt wird neue Angebote entwickeln: Geräte, die theoretisch mehrfach verwendet werden können, jedoch trotzdem billig genug für junge Einsteiger sind. Die Mehrkosten in der Herstellung spart man bei der Gerätesicherheit und der Befüllung leicht ein. Die Lizenz zum Gelddrucken, wie sie jetzt noch bei Einweggeräten und Liquids besteht, trotz der Liquidsteuer, wird man sich nicht nehmen lassen. Das Massenexperiment am Menschen wird weitergehen.

In welchen europäischen Ländern gibt es bereits Aromenverbote bzw. -beschränkungen? Niederlande, Dänemark, Ungarn, Estland, Litauen, Finnland, Ukraine

Wo sind sie auf dem Weg? In Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Slowenien

Auch in Deutschland muss man gleich Nägel mit Köpfen machen: alle süßen und „frischen“ Aromen verbieten, am besten bleiben nur noch Tabakaromen erlaubt.

*Die Aromenbezeichnungen im Text und auf dem Beitragsbild sind alle der erwähnten Liste des BVL entnommen.

Mehr zu Aromen in E-Zigaretten-Liquids: Eine Recherche in der Meta-Datenbank PubMed, veröffentlicht am 08.03.2024, zu gesundheitsschädlichen Wirkungen von E-Zigaretten kommt zu folgendem Ergebnis:

Aromen erleichtern den Einstieg in den E-Zigarettenkonsum und haben eine konsumfördernde Wirkung. Durch tieferes Inhalieren werden die Nikotinaufnahme und die Aufnahme toxischer Substanzen aus dem E-Zigaretten-Liquid gesteigert. Für einige Aromen wurden pathologische Wirkungen, additiv zu anderen toxischen Bestandteilen der E-Zigarette, nachgewiesen. Für die große Mehrzahl der in E-Zigaretten enthaltenen Aromen liegen bisher keine toxikologischen Analysen vor.