Süßer Dampf und coole Säckchen: Was steckt wirklich im Mix aus dem Labor?

23.05.2025 Lobbying, Sponsoring, Werbung und Big-Tobacco-Übernahmen in der Nikotinbranche. Der Verbraucher ist wichtig – aber nur als Käufer

Aus Eins mach Zehn, Und Zwei laß gehn, Und Drei mach gleich, So bist du reich. Verlier die Vier! Aus Fünf und Sechs… Mach Sieben und Acht, So ist’s vollbracht. So wird in Goethes „Faust“ ein Hexentrank gebraut. Solche Tränke sollen gezielt wirken, nicht die Gesundheit fördern. Genau so lässt sich auch das Grunddilemma aller Tabakprodukte und ihrer Konsumalternativen (E-Zigaretten, Nikotinpouches… ) beschreiben: Um erfolgreich zu sein, müssen sie alle (Sucht-)Wirkung entfalten, während die Tabaklobby versucht, die Konsumalternativen als Ausstiegshilfen zu beschreiben.

 Beispiel E-Zigaretten-Liquids: Wie sie präsentiert werden und was sie sind

Unter allen aromatisierten E-Liquids gehören solche mit „Frischekick“ und Fruchtgeschmack zu den beliebtesten. Es gibt unzählige Varianten. Präsentiert werden sie gern wie ein Naturprodukt: mit Bildern von Früchten und Eiswürfeln, mit Naturfarben und Begriffen wie süß, frisch, fruchtig, saftig, reif, kühl…  Und doch handelt es sich bei ihnen um eine Chemikalienmischung. Diese enthält für Lebensmittel zugelassene Aromen. Die Zulassung gilt jedoch für die Aufnahme durch Essen oder Trinken, nicht für das Inhalieren. Das bisschen süßer Dampf hat es in sich. Unter „Mehr dazu“ am Ende des Beitrags finden sich Links auf Stellungnahmen des Bundesinstituts für Risikobewertung zu E-Liquids. Darin wird z.B. empfohlen, Liquids mit synthetischen Kühlstoffen nicht zu verwenden, außerdem werden für einige Aromen gesundheitliche Risiken angenommen und mehr Forschungsbedarf zur Wirkung von Propylenglykol und Glyzerin gesehen.

Kirschsaft versus Kirscharoma-Liquid

Wir stellen reinen Kirsch-Direktsaft mit Eiswürfeln und E-Liquids der Geschmacksrichtung „Cherry Ice“ von SKE Crystal bzw. Elfbar gegenüber, beides bekannte Marken chinesischer Hersteller. Die einzelnen Inhaltsstoffe werden z.B. hier aufgelistet. Die Erklärungen und Warnsymbole laut CLP-Verordnung* stammen aus öffentlich zugänglichen Informationen, wie etwa Datensicherheitsblättern. Wie der Körper die Stoffe verarbeitet und wie sie sich gegenseitig beeinflussen, ist weitgehend ungeklärt. Das verwendete Süßungsmittel gibt der Hersteller nicht an. In vielen Liquids wird Sucralose verwendet, das beim Erhitzen über 120° C gesundheitsschädliche chlorierte Verbindungen bildet. Mit Klick auf das Bild öffnet sich das Pdf.

Maximale Orientierung auf Gefälligkeit

Die Gestaltungstricks mit dem Ziel von Gefälligkeit und Leichtigkeit des Konsums kennen wir bereits von klassischen Zigaretten: Zusatzstoffe überdecken den harschen Tabakgeschmack und reduzieren das Kratzen im Hals, Filter-, „Leichte“, „Slim-“ oder „Green“-Zigaretten sollen dem tödlichsten legalen Suchtmittel den Anstrich der Harmlosigkeit verleihen. Bei der elektronischen Zigarettenvariante lässt sich noch vieles mehr mit der Gestaltung machen. Die Geräte sind oft designt wie Make-up, Spielzeug oder Handys und locken mit Farbgebung und technischem Schnickschnack. Ein schickes Accessoire sollen sie sein, ein Must-Have in der Gruppe.

Vier Bilder von der Shishamesse (inkl. Vape Fair) 2025 in Frankfurt. Als Kontrast zur jugendaffinen Aufmachung dient eine Abbildung des Einheitsdesigns für Liquid-Nachfüllbehälter aus Israel.

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Insta-Pods von Q-Pro – eine KI soll sich das Nutzerverhalten merken
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Entwöhnung oder Lifestyle?

Tabakerhitzer, E-Zigaretten, Nikotinpouches und weitere werden als harmloser im Vergleich zu herkömmlichen Zigaretten und als wirksame Entwöhnungsmittel dargestellt. Verschwiegen wird dabei, dass ein Großteil der Konsumenten mehrere Produktarten gleichzeitig verwendet, was den Wunsch, vom Rauchen wegzukommen, verringert. Entsprechend bewegen sich die Rauchstoppversuche seit einigen Jahren auf sehr niedrigem Niveau (Quelle u.a. Deutsche Befragung zum Rauchverhalten der Universität Düsseldorf).

Tabakhersteller kapern die Nikotinbranche

Um einem drohenden Niedergang des herkömmlichen Tabakmarkts entgegenzuwirken, entwickelte Big T Tabakerhitzer und kaufte Hersteller alternativer Nikotinprodukte auf: Philip Morris etwa Juul (E-Zigaretten) und Swedish Match (Snus, Nikotinpouches). British American Tobacco erwarb die Quantus GmbH (Highendsmoke, führender deutscher E-Zigarettenhändler) und wollte sich Elfbar, einen der größten Marktakteure aus China, einverleiben, was allerdings nicht gelang. Neuester Coup (Beleg): Japan Tobacco International kaufte die Mehrheitsanteile an Flavour Warehouse (UK), in Deutschland durch VampireVape/Trulo GmbH vertreten, einen der größten Hersteller von E-Liquids Europas, Importeur, Distributor und Händler von E-Zigaretten.

Nicht nur der Handel selbst, auch die Interessenvertretung durch die Branchenverbände „tabakisiert“ sich zunehmend. Wo es früher eine deutliche Abgrenzung zwischen Dampfer- und Tabakmarkt gab, stecken heute in vielen Fällen Tabakinteressen hinter Nikotinkonsumprodukten.

Die Branche und der Schwarzmarkt

E-Zigaretten-Konsumenten, besonders Anfänger und diejenigen, die Billigware wollen, landen sehr schnell auf dem Schwarzmarkt. Nicht verkehrsfähige und unversteuerte Produkte gibt es überall zu kaufen: in Kiosks, kleinen Läden, aus Lieferwagen heraus und sogar in manchen Fachgeschäften. Online ist der Zugang ebenfalls leicht: über Social Media, aber auch große Kaufplattformen und Online-Shops wird illegale Ware angeboten, die als noch gefährlicher als registrierte Produkte anzusehen ist. Die 1,9 Millionen konfiszierten E-Zigaretten und Nachfüllbehälter im Jahr 2024 lassen eine riesige Zahl illegaler E-Zigaretten und E-Liquids erahnen. Nikotinpouches sind ebenfalls leicht erhältlich, obwohl sie in Deutschland nicht zugelassen und daher nicht verkehrsfähig sind.

Schein und Sein unterscheiden sich bei Tabak- und Nikotinprodukten erheblich. Süßer Dampf und coole Säckchen erscheinen bedeutend weniger hip, wenn man sich genauer ansieht, woraus sie bestehen.

*CLP bedeutet Classification, Labelling and Packaging. Die Verordnung regelt die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von gefährlichen Stoffen und Gemischen.

Mehr dazu:

Bundesamt für Risikobewertung (BfR) zur Einschätzung von E-Zigaretten unter https://www.bfr.bund.de/cm/343/e-zigaretten-alles-andere-als-harmlos.pdf

BfR zur geänderten Einschätzung synthetischer Kühlstoffe (wie WS-23, WS-5, WS-3)  in E-Liquids unter https://www.bfr.bund.de/assets/01_Ver%C3%B6ffentlichungen/Stellungnahmen_deutsch/kuehlstoffe-in-e-zigaretten-sind-schlecht-erforscht-gesundheitsschaeden-moeglich.pdf