Zehn Jahre Nichtraucherschutzgesetze und weiterhin zu viel Tabakrauch
6.1.2017 Vor zehn Jahren sind die Nichtraucherschutzgesetze in Deutschland verabschiedet worden und haben Verkehrsmittel, öffentliche Gebäude, Sport-, Freizeit- und Kulturstätten, Gesundheitseinrichtungen, Schulen und deren Gelände sowie die Gastronomie ganz oder zum Teil rauchfrei gemacht.
Kontrovers im Presse-Echo werden allerdings nur die Rauchverbote in der Gastronomie behandelt, die eher streng oder lasch ausfallen, je nach Bundesland. Zu diesem Anlass wittern einige die Gelegenheit, eine Lockerung des Nichtraucherschutzes in den drei Vorreiter-Bundesländern Bayern, Saarland und Nordrhein-Westfalen zu fordern. Denn nur die „liberalen“ Gesetze in den 13 restlichen Bundesländern hätten sich für die aussterbende Eckkneipe als am wenigsten schädlich erwiesen, behaupten sie. Eine erstaunliche Perspektivenverengung, als wäre es der Hauptzweck des Nichtraucherschutzes, die ohnehin bröckelnde Tradition der Eckkneipe zu bewahren und nicht, die Menschen vor den Schäden des Passivrauchens zu schützen.
Heute erteilen wir einmal den Nutzern unseres Beschwerdeformulars das Wort. Sie wissen aus eigener Anschauung, wie es in Bundesländern mit Raucherkneipen und –räumen um den Nichtraucherschutz bestellt ist. Natürlich gibt es auch Verstöße in den drei Bundesländern mit striktem Rauchverbot in der Gastronomie. Nur muss man, um diese zweifelsfrei zu erkennen, weder mit dem Metermaß noch dem Gesetzbuch unterm Arm unterwegs sein. Man muss nicht nachmessen, ob eine Raucherkneipe auch wirklich unter 75 Quadratmeter Fläche aufweist oder ob die Voraussetzungen für Raucherräume laut Gesetz tatsächlich eingehalten werden.
Beginnen wir mit einer Frage eines unserer Mitglieder vom letzten Dezember zu Gaststätten in Mainz, Rheinland-Pfalz:
Mir ist aufgefallen, dass einige Kneipen/Diskos einen ‚abgetrennten‘ Raucherraum haben. Es handelt sich um einen separaten Raum, allerdings ist dieser nicht wirklich abgetrennt, da die Tür fehlt. Nach gesundem Menschen- (oder Physik-)verstand hilft das nicht wirklich.
Gibt es so etwas Widersinniges wie einen Raucherraum ohne Tür tatsächlich? Ja, Pro Rauchfrei weiß das aus langer Erfahrung, aber man kann es tatsächlich auch in der Presse nachlesen, ganz aktuell jetzt im Januar in der → Celleschen Zeitung:
Im „Rio‘s“ sind die beiden Raucherräume vom Nichtraucherbereich getrennt – eine verschließbare Tür gibt es aber nicht. „Ab 2 oder 3 Uhr, wenn kaum jemand mehr da ist, darf man auch rund um die Bar rauchen“, sagt Angestellter Ken Rodenwaldt. „Viele kommen, weil wir so locker damit umgehen.“
Kein Einzelfall, wie viele bei uns eingehende Beschwerden belegen. Einige Beispiele:
Albstadt, Baden-Württemberg, April 2013: Rauchen im Nichtraucherbereich der Gaststätte. Geraucht haben ca. 2 Personen. Das Personal ist nicht eingeschritten. Die Tür zum Raucherbereich war dauerhaft offen.
Tarmstedt, Niedersachsen, August 2015: In der Gaststätte wird durchgehend geraucht. Die daneben stehenden Kinder mit Ihren Pommes stören dabei wohl nicht. Auch Inhaber und Tresenkraft qualmen kräftig mit.
Leipzig, Sachsen, Dezember 2015: Im gesamten Innenbereich wurde geraucht. Es gibt keinen abgegrenzten Bereich, in dem man rauchfrei essen und trinken konnte. Das Personal hat nichts dagegen unternommen. Es werden sogar Aschenbecher zur Verfügung gestellt.
Leipzig, Sachsen, Dezember 2015: Keine räumliche Abtrennung des Raucherbereichs. Auf dem gesamten oberen Bereich des Cafés wurde geraucht. Rauch war im gesamten Restaurant wahrnehmbar, was insbesondere beim Essen sehr unangenehm war.
Frankfurt, Hessen, Januar 2016: Tür zum abgetrennten Raucherraum steht immer offen und ist mit Stuhl festgekeilt. Regelmäßig 1-4 Personen oder mehr. Personal wurde wiederholt (mind. 10 mal) darauf hingewiesen und die Tür von mir geschlossen. Minuten später stand sie wieder offen, weil ein anderer Mitarbeiter sie wieder festgestellt hat.
Schüttorf, Niedersachsen, Januar 2016: Die Großraumdiskothek gestattet in allen Räumen das Rauchen . Es ist eine Unverschämtheit und Körperverletzung.
Hamburg, Januar 2016: Überall in der Disco wurde geraucht, von zahlreichen Personen, offen und fortlaufend. Gesamtanzahl nicht zu schätzen, Gesamteindruck wie vor Erlass des Rauchverbotes. Es wurde auch offen sichtbar für die DJs, das Barpersonal, etc. geraucht.
Leipzig, Sachsen, Januar 2016: Im Pub gibt es keine abgetrennten Raucherräume. Das Rauchen ist in der gesamten oberen Etage gestattet (es stehen sogar Aschenbecher bereit). Der Rauch ist auch in der unteren Etage wahrnehmbar. Türen oder ähnliches gibt es nicht.
Westerland auf Sylt, Schleswig-Holstein, Januar 2016: Im gesamten Gastraum des Restaurants standen Aschenbecher und es wurde geraucht.
Frankfurt, Hessen, Januar 2016: Um 22.55 fingen drei Frauen an zu rauchen. Zuvor waren die Leute zum Rauchen raus gegangen. Daraufhin fragte ich die Bedienung, ob hier doch rauchen erlaubt sei. Daraufhin erwiderte diese: ja, ab 23.00. Punkt 23.00 fingen dann auch in der Tat zumindest mehrere Leute an den Tischen in unserer Nähe an zu rauchen.
Berlin, Januar 2016: Wir nahmen im hinteren Bereich Platz. Dieser Bereich ist räumlich nicht abgeschlossen, es gab keinen abgetrennten Nichtraucherbereich. Wir bestellten unser Abendessen und sprachen den Kellner auf die rauchenden Gäste an. Dieser reagierte abweisend mit der Aussage, wenn wir ein Problem damit hätten, sollten wir das Lokal verlassen. Als wir erwiderten, dass es gesetzlich verboten ist Essen zu servieren und Gäste rauchen zu lassen, kümmerte es ihn nicht weiter.
Flughafen Hahn, Rheinland-Pfalz, Februar 2016: Trotz ausgehängter Verbotsschilder wurde von ca.25-30 Personen geraucht. Auf Nachfrage bei der Security wurde gesagt das der Chef kein grünes Licht zum einschreiten gegeben habe und es zu tolerieren sei.
Leipzig, Sachsen, März 2016: Mehrere Personen (eine am Nebentisch, dem Gestank nach viele mehr im unteren, von mir nicht einsehbaren Bereich des Lokals) begannen zu rauchen, nachdem ich Essen und Getränke bestellt habe. Ich habe die Kellnerin darauf angesprochen und sie erklärte „das ist hier halt so“. Eingeschritten ist sie natürlich nicht. Ich habe meine Bestellung sofort storniert und das Lokal verlassen.
Donaueschingen, Baden-Württemberg, April 2016: Die Gaststätte hat einen Raucherbereich mit an dem Abend ca 30 Räuchern und einen kleinen Nichtraucherbereich mit 4 Tischen, in dem wir reserviert hatten. Leider war die große Schiebetür zum Raucherbereich durchgehed offen, trotz Aufforderung an das Personal.
Braunschweig, Niedersachsen, April 2016: Bei einer Veranstaltung in Braunschweig fingen die Gäste gegen 20.50 Uhr nach und nach an zu rauchen. Zuerst direkt an der Bar, kurze Zeit später im gesamten Gastraum. Schließlich waren es ca. 20 Gäste, die rauchten. Ich fragte bei der Bedienung, ob es sich um eine Raucherkneipe handele. Sie verneinte und wies darauf hin, dass ihr Chef Umsatzeinbußen befürchte, wenn er den Laden zur Raucherkneipe mache oder draußen einen entsprechenden Hinweis aufnehme.
Wenningstedt, Schleswig-Holstein, August 2016: Im kompletten Essbereich Raucher, an vielen Tischen Aschenbecher, Personal duldet dies.
Melle-Buer, Niedersachsen, September 2016: Während meiner Anwesenheit, rauchten fünf Personen in der Gaststätte. Ich war der einzige Nichtraucher. Eine rauchfreie Einnahme von Speisen und Getränken War nicht möglich. Durch Aschenbecher auf dem Tisch wurde auch kein Nichtraucher Charakter vermittelt. Hinter der Theke stapelten sich ein Aschenbecher mit Kippen.
Mainz, Rheinland-Pfalz, September 2016: Im Innenraum wurde geraucht (ca 4 Personen).
Im Eingangsbereich war kein Hinweis, dass es sich hier um ein Raucherlokal handelt, sichtbar.
In diesem Lokal werden Speisen verzehrt.
Karlsruhe, Baden-Württemberg, November 2016: Der Raucherbereich ist nicht baulich getrennt, mehrere Personen (mindestens drei) traten rauchend aus dem Raucherbereich in den Nichtraucherbereich.“
Dresden, Sachsen, November 2016: „Die Tür zum Raucherraum im Untergeschoss wurde an diesem Abend konsequent offen gelassen. Trotz wiederholter Aufforderung an das Personal, die Tür zu schließen, wurde sie offen gelassen und auf den Chef verwiesen. Im Raucherraum haben etwa zehn Personen geraucht. Unsere Versuche, die Tür geschlossen zu halten, scheiterten daran, dass bei der nächsten Bestellung die Tür offen stehen gelassen wurde.
Berlin, November 2016: Die Gaststätte besteht aus einem Eingangsbereich mit Bar sowie einem zweiten Bereich mit Tischen und Bestuhlung, der nicht durch eine Tür o.ä. abgetrennt ist. In der Gaststätte riecht es nach Zigarettenrauch und der Betreiber erlaubt es offensichtlich, an der Bar zu rauchen. Dies empfinde ich als Zumutung, zumal dort warme Speisen angeboten werden.
Die Beschwerden wurden von uns nach einer juristischen Vorprüfung an die zuständigen Behörden weitergeleitet. Es erfolgten dann entweder Zusagen eigener Kontrollen, Gespräche und Anhörungen, Ermahnungen oder Bußgeldverfahren. Erhalten wir Rückmeldungen, dass weiterhin Verstöße zu beobachten sind, haken wir nach. Das ist kein geringer Aufwand, auch für die damit befassten Behörden, die ohnehin meist mit wenig Personal viele Aufgaben bewältigen müssen. Die löchrigen, verwirrenden Nichtraucherschutzgesetze beispielsweise in Niedersachsen, Baden-Württemberg, Sachsen… wollen sicher nicht zum Gesetzesbruch einladen, tun es in der Praxis jedoch. Sei es durch Missverständnisse, Druck uneinsichtiger Raucher oder eine „es wird uns schon keiner erwischen“-Mentalität. Was uns und die Ordnungsämter an Beschwerden erreicht, ist ohnehin nur die Spitze des Eisbergs. Eine Wahlfreiheit, nur rauchfreie Gaststätten zu besuchen, besteht häufig nicht, da Verstöße gegen den Nichtraucherschutz alltäglich vorkommen und nur selten angezeigt oder gar geahndet werden.
Viele Gäste, die sich beim Ausgehen durch Tabakrauch gestört fühlen, sind zudem unsicher, ob in den besuchten Lokalen die Rauchverbote des Bundeslandes überhaupt gelten. Sie stellen sich Fragen wie: Ist das offiziell eine Raucherkneipe? Muss ein Schankraum nicht rauchfrei sein? Darf wirklich dort geraucht werden, wo ich esse? Wo ist der Zutritt für Jugendliche gestattet? Gilt in einem Raum mit Tanzfläche nicht Rauchverbot? Und sogar, wie wir gezeigt haben: Muss ein Raucherraum eine Tür haben? Jedes Bundesland hat darauf seine eigenen Antworten – außer, was die Türen anbelangt. Sofern Raucherräume gestattet sind, müssen sie auch verschließbare Türen haben. Alles andere wäre reiner Unfug.
Auf jeden Fall gilt aber: Nur ein konsequenter, bundeseinheitlicher Nichtraucherschutz in der Gastronomie schützt Gäste und Angestellte wirkungsvoll vor schädlichem Tabakrauch und Wirte vor unlauterem Konkurrenzdruck.