Im Krebsgang zurück in den Rauch?

06.03.2015  Vermeintlich setzen sie sich für Freiheit, Toleranz, Bürgerrechte oder die Wirtshauskultur ein. Streiten als „mündige Bürger“ gegen „Bevormundung“.  Dabei geht es ihnen meist nur darum, rückwärts in die Raucherzeit zu krebsen, in der man noch überall rauchen und sich niemand öffentlich darüber aufregen durfte. Mit illegalen Rauchpartys, Propaganda und auf dem Klageweg versuchen sie, das Freiheitsrecht auf tabakfreie Luft im öffentlichen Raum auszuhebeln. Ziemlich erfolglos bis dato, aber: Behalten wir sie im Auge.

Ausnahmen als Schlupflöcher

Nur drei deutsche Bundesländer haben ein umfassendes tabakfreies Recht in der Gastronomie, in 13 sind Nichtraucher mehr oder weniger dem Tabakrauch ausgesetzt. Die zahlreichen Auswüchse sind sattsam bekannt: Keine Kennzeichnung von Rauchergaststätten, kein Hinweis auf das Zutrittsverbot für Jugendliche, keine Rauchverbots-Schilder, fehlende Trennung zwischen Raucher- und Nichtraucherbereichen oder ständig/häufig offenstehende Türen, falsche Deklarierung von Haupt- und Nebenraum, Schanktheken in Raucherräumen, verqualmte Wege zu Eingängen oder Toiletten.

Das alles ist schwer zu durchschauen und schwer zu kontrollieren, sodass viele Gäste resignieren statt sich zu beschweren. Wer möchte schon mit dem Gesetzbuch unterm Arm ausgehen?

Gute Luft und ihre Gegner

Einfacher ist die Situation dort, wo der Schutz vor Tabakrauch konsequent angewendet wird. Da Raucher jedoch allzu gern den Nichtraucherschutz ignorieren, gibt es auch in den „sauberen“ Bundesländern immer wieder Grund, genauer hinzusehen. Denn nur wenige Ordnungsämter kontrollieren von sich aus. Auf Beschwerden dagegen müssen sie tätig werden.

Holzweg „Helmut-Partys“

Wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, wo ein paar Monate lang die sogenannten „Helmut-Partys“ – angeblich soll sie ein namenloser Rechtsanwalt miterfunden haben ­­– boomten: ein verzweifelter Versuch, unter Berufung auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit das Rad der Geschichte in die anrüchigen Raucherzeiten zurückzudrehen. Es wurde eifrig von einschlägig aktiven Rauchern Werbung gemacht und Wirte mit der Angst auf weniger Gäste zum Mitmachen gedrängt. Dass die Warnung von Pro Rauchfrei in diesen Kreisen ungehört verhallen würde, war klar. Aber nicht einmal kritischen Stimmen aus dem eigenen Lager schenkten die Kampfraucher Glauben. So kam es, wie es kommen musste: Die alarmierten Ordnungsämter verhängten Bußgelder. Bezahlten die Wirte diese, kamen sie meist noch glimpflich davon, weigerten sie sich aber und glaubten den falschen Rauch-Propheten, wurde die Sache teurer:

  • Wirt Klaus L. zahlte nach dem Urteil des AG Solingen 500 Euro Bußgeld
  • Wirt Franz S. zahlte nach dem Urteil des AG Solingen 1.700 Euro Bußgeld.
  • Wirt Ingo H. zahlte nach dem Urteil des AG Solingen 750 Euro. Darüber hinaus eigenen Aussagen zufolge noch einmal  681 Euro.
  • Wirt Achim K. muss nach dem Urteil des AG Essen 2.400 Euro Bußgeld zahlen.

Zu den Bußgeldern kommen jeweils noch Gerichts- und Anwaltskosten.

Übrigens stehen auch heute noch sogenannte Helmut-Party-Infomappen zum Download auf bestimmten Webseiten bereit. Jedoch sind die Wirte inzwischen durch Schaden klug geworden. Das Thema ist gegessen. Sogar Sat1 hatte mit einem tendenziösen Beitrag um die Gunst der Raucher gebuhlt. Daraus entstand ein Rechtsstreit mit Pro Rauchfrei, den wir in sieben von acht Punkten gewonnen haben.

Sackgasse falsche Geschlossene Gesellschaft

Was in Nordrhein-Westfalen geht, müsste doch auch in Bayern klappen, dachte sich Wirt Karl-Heinz M. aus Germering und besann sich auf den „Geschlossene-Gesellschaft-Trick“. Eines Nachts im Februar 2014 „mietete“ einer seiner Stammgäste kurzerhand spontan das Lokal für eine Rauchsession. Zwei weitere Gäste, denen das nicht recht war, wurden hinauskomplimentiert. Die Raucher fühlten sich durch das Gesetz gedeckt, doch sie hätten aus den Erfahrungen der letzten Jahre lernen sollen. Das Ordnungsamt verhängte zunächst ein Bußgeld von 500 Euro, dann ein Zwangsgeld von 1.000 Euro. Der Wirt wollte nicht zahlen, es kam zum Prozess. Jedoch auch der Richter konnte sich der freien Interpretation des Bayerischen Gesundheitsschutzgesetzes nicht anschließen. Der Wirt will seine Gaststätte nun nicht mehr vermieten, sein Anwalt jedoch, ein strikter Rauchverbotsgegner und bekannter Tabaklobbyist, will vor den Verwaltungsgerichtshof (VGH) ziehen und eine weitere teure Abfuhr einkassieren.

Taktik der kleinen Krebsschritte

Andere wiederum machen sich gar nicht die Mühe, Raucherpartys, geschlossene Gesellschaften oder eine Raucher-Religion auszurufen (ein „Geheimtipp“, der in Raucherkreisen immer wieder mal heiß diskutiert wird). Nein, sie rauchen einfach, wie wenn sich nichts geändert hätte.

So in Passau, wo sich zwei unserer Mitglieder im vergangenen Dezember und Januar in Lokalen umschauten. Mehr als 20 Anzeigen wurden im Nachgang gestellt und in der überwiegenden Zahl der Fälle wurden vom Ordnungsamt Passau Bußgelder verhängt. Für einige Grenzfälle (Hausflure, überdachte Eingänge u.a.) suchten Behörde und Wirte bei Ortsterminen nach Lösungen, die dem Gesetz gerecht werden.

Die Shisha-Falle

Auch in Shisha-Bars, die in Bundesländern mit konsequentem Rauchverbot nur mehr tabakfreien Konsum anbieten dürfen, wird gern versucht, den Nichtraucherschutz auszuhebeln. Hier kontrollieren allerdings Zoll, Ordnungsämter und andere Behörden oft gemeinsam. Es geht u.a. darum, Gäste vor Schäden wegen unzureichender Lüftung zu bewahren und Steuerhinterziehung aufzudecken, die in diesen Kreisen besonders häufig ist.

Im Jahr 2014 hat allein das Hauptzollamt Dortmund 2.000 kg unverzollten Shisha-Tabak beschlagnahmt, in Stuttgart waren es bei einer einzigen Kontrolle von 67 Shisha-Bars 450 kg, im Kreis Lörrach 160 kg uvm.

Wenn unerlaubt geraucht wird, heißt die Devise: Hinschauen statt Wegschauen, Beschweren statt Erleiden und entweder das Ordnungsamt selbst informieren oder das Pro Rauchfrei Beschwerdeformular nutzen.

Wer sonst außer uns Nichtrauchern selbst kann uns vor der Intoleranz mancher Raucher schützen?