28.02.2014 Es ist gut, dass die neue Tabakrichtlinie viele Stolpersteine überwunden hat und endlich verabschiedet ist. Trotzdem werden wir nicht in die Höhe springen und wie einst Hans Rosenthal in „Dalli Dalli“ „Das ist Spitze!“ rufen.
Als Befürworter einer klaren Regulierung von Tabakprodukten tun wir es nicht, weil die Entstehung der Tabakrichtline mit Skandalen und massiven Beeinflussungsversuchen von Tabak-Lobbyisten verbunden ist. Allen voran der erzwungene Rücktritt des „Vaters“ der Richtlinie John Dalli im Oktober 2012. Die Begleitumstände dieses „Tobaccogate“ sind bis heute nicht völlig geklärt, weil die angeblichen Beweise für ein Fehlverhalten Dallis immer noch nicht einsehbar sind, nicht einmal für ihn selbst. Daher klagt Dalli die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof wegen der Verletzung seines Rechts auf Verteidigung an.
So ist die Verwässerung der Tabakrichtlinie für einige Jahre gelungen. Schon vor Monaten haben bei den Tabakkonzernen die Champagnerkorken geknallt, auch wenn die Giftpanscher jetzt scheinheilig jammern. Denn was sie nicht wollten und was sie mit ihren mafiosen Methoden abgewendet haben, sind die unbestechlichen Pläne des wahren EU-Gesundheitskommissars John Dalli:
- Keine Schockfotos, sondern Einheitspackungen (plain packaging wie in Australien) sollten es werden. Diese wären für die Tabakindustrie eine wahre Katastrophe gewesen. So freuen sich die Tabakbosse nun über die Schockfotos, weil sie bei den Verbrauchern einen Sturm der Entrüstung ausgelöst haben.
- Tabakprodukte sollten aus den Auslagen von Geschäften verschwinden. Das britische Verbot, Tabakwaren in Supermärkten zu verkaufen, sah Dalli als vorbildlich an. Zudem sollte Werbung für Tabakprodukte gänzlich abgeschafft werden. Solche hervorragenden Maßnahmen zum Jugendschutz, die den Tabakhandel empfindlich getroffen hätten, sind völlig abgeschmettert worden.
- Dalli sah eine maßgebliche Reduktion toxischer und süchtig machender Inhaltsstoffe wie Nikotin und eine weitergehende Informationspflicht für Zusatzstoffe vor – beides ist bei weitem nicht im vorgesehenen Ausmaß verwirklicht worden.
- Slim- und Mentholzigaretten sollte es nach Dallis Plänen nicht mehr geben. Erstere sind nach der neuen Richtlinie weiterhin erlaubt, letztere werden erst 2020 verboten. Helmut Schmidt kann nun bis zum Ende seiner Tage hüstelnd weiterqualmen (Lex Helmut Schmidt).
Die Tabakrichtlinie ist tot – es lebe die Tabakrichtlinie!, so jedenfalls will es uns die EU-Kommission weismachen
Die neue Richtlinie gestattet es den Mitgliedstaaten ausdrücklich, weitere Maßnahmen bezüglich einer Vereinheitlichung der Verpackungen zu ergreifen oder auch Einheitspackungen einzuführen, wenn solche Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt und verhältnismäßig sind und wenn sie keine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen
(EU-Pressemitteilung vom 26.02.14). Alleine dieser Nebensatz wird es schwer bis unmöglich machen, wirkliche Verbesserungen zu erreichen.
Dennoch lassen die Tabakfirmen nicht locker und wollen auch noch diese winzige Lücke schließen. So haben BAT in Großbritannien und Reemtsma in Deutschland gerichtliche Schritte wegen Markenrechtsverletzungen angekündigt. Denn den „Händlern des Todes“ geht es immer nur um die Kunden von morgen, nämlich die Kinder und Jugendlichen. Sie müssen die Verbraucher ersetzen, die der Tabak kontinuierlich dahinrafft. In der EU sind dies jedes Jahr 700.000 Menschen. Doch sie sterben heimlich und lautlos, anders als wenn sie täglich bei Flügen nach Berlin, Paris, Rom, Madrid oder Brüssel in einem Jumbo-Jet abstürzen würden. Diese Öffentlichkeit haben sie leider nicht. Deshalb dürfen nicht auch wir den Mantel des Schweigens darüber legen.
Raucher und Nichtraucher vor den Schäden des Tabakkonsums zu schützen, wird für den Verbraucherschutzverband Pro Rauchfrei immer oberste Priorität haben.