Pro Dampf oder Pro Dampffrei?

„Wir helfen Ihnen mit der E-Zigarette in eine rauchfreie Zukunft“ – nicht mehr und nicht weniger verspricht ein Online-Händler.  Wir von Pro Rauchfrei müssten also der E-Zigarette vorbehaltlos positiv gegenüberstehen, scheint doch unser Name Programm geworden zu sein.

20.11.2013  Dieses Produkt wirft mehr Fragen auf, als derzeit verlässlich beantwortet werden können. Stellen wir sie uns und versuchen wir, Antworten zu finden.

  • o Ist die E-Zigarette wirklich eine gesündere Alternative zum Rauchen oder sind die Gesundheitsrisiken nur noch nicht belegbar?
  • o Wie verhält es sich mit der Verwechslungsgefahr zu Tabakzigaretten und der Begünstigung, diese verbotenerweise doch zu rauchen?
  • o Ist ihr Dampf für die Umgebung unschädlich oder nur eine andere Form der Beeinträchtigung oder Belästigung?
  • o Ist die E-Zigarette eine Hilfe zur Entwöhnung oder eher das Gegenteil?
  • o Sollte sie wie ein Medikament zulassungs- und apothekenpflichtig oder keinesfalls stärker reguliert sein als die überall erhältliche Pyrozigarette?
  • o Ist die E-Zigarette gefährlich für Jugendliche, weil Aromen wie „Schoko“ oder „Banane“ den Nikotinkonsum verharmlosen und weil Nachfüllpackgrößen von bis zu 200 mg das stark giftige Nikotin in mehrfach tödlicher Dosis leicht zugänglich machen, oder sind das nur kleinliche Bedenken?

o Macht die E-Zigarette den Nikotinkonsum wieder attraktiv, da technische Neuheiten beliebt sind und die angebotene Liquid-Vielfalt zum Probieren reizt, oder ist sie nur ein kurzlebiger Trend?

Sie ist noch zu jung, um ihre gesundheitlichen Risiken abschätzen zu können, sagen Kritiker. Es sei unverständlich, dass man heutzutage mit der E-Zigarette genauso sorglos umgehe wie Jahrzehnte zuvor mit der Tabakzigarette. Deborah Arnott vom Interessenverband „Action on Smoking and Health“ warnt: „Wenn es darin krebserregende Stoffe gibt, sieht man keine unmittelbare Wirkung. Aber in zehn, 15, 20 Jahren werden Leute daran sterben.“  Gleichermaßen gibt es schon Warnungen vor einer Gefährdung durch ausgeatmeten Dampf; hier sind eingehendere Untersuchungen notwendig. Mag die E-Zigarette auch weniger Zusatzstoffe enthalten als ihre rauchige Schwester, so sind sie doch oft falsch deklariert, wie Tests beweisen, und ihre Schädlichkeit bei der Verdampfung noch völlig unklar. „Essig ist auch ein zugelassener Lebensmittelinhaltsstoff, aber kein Mensch kommt auf die Idee Essig einzuatmen.“, wie Sebastian Zellmer, Toxikologe am Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin gegen die angenommene Unbedenklichkeit der Liquid-Zusatzstoffe argumentiert.

Obwohl sich im Dezember die Teilnehmer der eCig in London auf „regulatorische Herausforderungen“ vorbereiten wollen, ist von konsequenten Regelungen bisher keineswegs die Rede. Während beispielsweise in der Schweiz der Konsum von E-Zigaretten in öffentlichen Verkehrsmitteln ab Mitte Dezember untersagt wird, bleibt er in der Gastronomie des Landes erlaubt. In Italien ist das „Dampfen“ außer in Schulen überall ohne Einschränkung erlaubt, die Tabakzigarette ist dagegen im öffentlichen Raum verboten. Im Saarland fällt die E-Zigarette nicht unter die Bestimmungen des Nichtraucherschutzgesetzes, in Bayern und Nordrhein-Westfalen hingegen schon, jedoch hat ein Kölner Wirt gegen diese Gleichstellung geklagt, daher wird bis zur Urteilsverkündung derzeit vom Ordnungsamt Köln keine Geldbuße wegen Dampfens in Lokalen verhängt.

Was den Handel betrifft, stuft Österreich nikotinhaltige Liquids als Medikamente ein und solche ohne Nikotin als „Medizinprodukte“, aber solcherlei feine Unterscheidungen sind im Zeitalter des Internethandels rein akademisch – wer E-Zigaretten und Zubehör möchte, bekommt sie ohne Probleme. Ein großer Teil der deutschen Bundesländer betrachtete bisher ebenfalls nikotinhaltige Liquids für E-Zigaretten als Medikamente (ähnlich wie Nikotinpflaster), was eigentlich eine Zulassung für den Verkauf voraussetzen würde. Jedoch wurde dies sehr unterschiedlich gehandhabt; außerdem sind Onlinekäufe ohnehin nicht kontrollierbar. Der im Oktober verabschiedete Entwurf der EU-Tabakrichtlinie sieht eine Deklarierung der E-Zigarette als Medikament nicht vor. Leicht vorherzusehen ist daher, dass die Kompromissfindung zwischen der Kommission, dem Rat und dem Parlament der EU kaum zu einer strengeren Regulierung führen wird. Im Gegensatz dazu sind in der sogenannten russischen Zollunion  (Russland, Weißrussland, Kasachstan) inzwischen Herstellung, Verkauf und Bewerbung von E-Zigaretten verboten.

In Deutschland dürfen Produzenten in Zukunft nicht mehr damit werben, dass E-Zigaretten gesünder seien als Tabakzigaretten und dass sie als einzigen Zusatzstoff Nikotin enthielten, weil diese Aussagen irreführend sind. Das ist sicherlich ein Anfang, jedoch gibt es inzwischen unzählige Print- und Online-Artikel, die genau dieses unangefochten behaupten. Wer die Botschaft glauben möchte, tut dies ohnehin.

Wie soll man sich angesichts dieser vielen Unsicherheiten nun zur E-Zigarette stellen?

Pro Rauchfrei fordert:

  • Grundsätzlich sollte jedes neue Produkt eine Zulassung erst bekommen, wenn dessen Unschädlichkeit zweifelsfrei feststeht.
  • Die E-Zigarette sollte an öffentlichen Orten genauso wenig präsent sein wie die Tabakzigarette.
  • Vorsorglich sollten Nichtraucher vor dem Dampf der E-Zigarette genauso geschützt werden wie vor Tabakrauch.
  • Die E-Zigarette sollte nicht beworben werden, schon gar nicht mit irreführenden Aussagen über ihren angeblichen Nutzen für die Tabakentwöhnung.
  • Sie sollte für Jugendliche schwer erhältlich sein, auch die nikotinfreien Mischungen.
  • Darüber hinaus sollte ein Produkt, das inhaliert wird, mindestens denselben strengen Qualitätskontrollen unterworfen sein wie Lebensmittel, vorzugsweise sogar wie Medikamente. Die Tabakzigarette noch strenger zu regulieren wäre ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.
  • Für das elektrische Verdampfungsgerät sollte eine Sicherheitsprüfung obligatorisch sein.
  • Innerhalb Deutschlands sollten die Bundesländer eine einheitliche Position zur E-Zigarette bzw. zu ihrem Konsum in öffentlichen Gebäuden, an Arbeitsstätten und in der Gastronomie erarbeiten, genauso wie dies für die Tabakzigarette erforderlich ist.

Gesundheitsrisiken: …

Auch ohne Ergebnisse aus Langzeitstudien sind E-Zigaretten als gesundheitlich bedenklich einzustufen, allein schon wegen fehlender Standards bzw. Kontrollen bei ihrer Produktion (Herstellungsland ist vorwiegend China). Tests, z.B. des Deutschen Krebsforschungsinstituts, haben zudem häufig falsche Deklarierungen der Inhaltsstoffe aufgedeckt. Darüber hinaus ist bei qualitativ mangelhaften Produkten zweifelhaft, ob nicht doch mehr Rauch als Dampf beim Verbrennungsvorgang entsteht.

Geruchsbelästigung/Gesundheitsschäden für Andere:Dampf aus E-Zigaretten ist in geschlossenen Räumen wahrnehmbar, insbesondere für Nichtraucher. Als sehr belästigend wird dies gerade in der Speisegastronomie empfunden, da sich „Dampfer“ hierbei keinen Zwang auferlegen. Dass der ausgeatmete Dampf der Gesundheit nicht so zuträglich sein kann wie Raumluft ohne diese Beimischung kann mit Sicherheit angenommen werden.

Eignung als Entwöhnungsmittel:Präparate, die den Suchtstoff Nikotin enthalten, besitzen diese Eignung nicht. Aber auch der Konsum von E-Zigaretten ohne Nikotin wird von Ärzten kritisch betrachtet: Rauchen und Dampfen ähneln einander so sehr, dass keine festgefahrenen Gewohnheiten abgelegt werden müssen und daher jederzeit das Verlangen nach Tabakzigaretten wiederaufleben kann. Im Gegenteil ist es so, dass Jugendliche, die noch keine Erfahrungen mit Tabakzigaretten haben, oft mit E-Zigaretten experimentieren. Auch werden E-Zigaretten für den langdauernden Konsum hergestellt, in diesem Sinne beworben und entsprechend konsumiert. Ein Entwöhnungsprodukt müsste zum Ziel haben, sich langfristig entbehrlich zu machen.

E-Zigarette als Medikament: Aus Gründen der sich daraus ergebenden Zulassungspflicht und größerer Kontrollmöglichkeiten wäre dies eigentlich zu begrüßen, jedoch erscheint es widersinnig, dass Tabakzigaretten frei verkäuflich und weniger reguliert sind.

Zugänglichkeit für Jugendliche: Nikotinfreie Liquids sind für Jugendliche leicht erhältlich und Eltern oder Betreuer sehen sicher oft die Gefahren des Konsums nicht. Jedoch sind nikotinfreie Befüllungen nicht automatisch auch „gesund“, außerdem werden jugendliche Konsumenten im Lauf der Zeit sicherlich auch nikotinhaltige Produkte ausprobieren, die mit allerlei aromatischen Beimischungen attraktiv gemacht werden; übrigens nach demselben Prinzip wie Alkopops oder Mentholzigaretten. Vielleicht wird bald neben dem „Komasaufen“ auch das „Komadampfen“ traurige Mode; die im Handel erhältlichen großen Nachfüllpackungen würden dies leicht ermöglichen.

Attraktivität als technische Spielerei: Sie ist besonders für Jugendliche und junge Erwachsene gegeben. Die E-Zigarette weckt die Lust am Herumprobieren und wohl auch am „Frisieren“ des Geräts, d.h. an technischen Manipulationen, in ganz anderem Maße als die herkömmliche Zigarette. Die besondere Ausrichtung auf den jugendlichen Konsumenten macht sich bezahlt: Wer früh anfängt mit Nikotinkonsum, wird womöglich sein ganzes Leben lang vergebens versuchen, davon loszukommen. Deshalb auch die Begeisterung der Tabakbranche für diesen erfolgversprechenden Produktionszweig.

Aufweichung von Rauchverboten: die täuschende Ähnlichkeit der E-Zigarette mit der Tabakzigarette erschwert Nichtraucherschutz-Kontrollen erheblich. Welcher verantwortliche Mitarbeiter wird genug Zeit haben, um herauszufinden, welche der 30 Personen mit „Glimmstängel“ im Mund nun der Tabakraucher ist, der die Luft verpestet? Allein schon aus diesem Grund ist eine Gleichstellung von E-Zigaretten mit Tabakzigaretten beim Nichtraucherschutz zu befürworten: Klare Regeln verhindern Missverständnisse und Streit.

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