Raucher müssen Tabaklobby-Essen mit 30 Millionen Zigaretten abstottern
14.09.2013 Es gibt Nachrichten, die so nachdenklich machen, dass man zu rechnen anfängt. Dabei entsteht aus wenigen Zahlen die Erkenntnis, dass opulente Lobby-Eat-Ins mit Millionen von Zigaretten bezahlt werden müssen. Schnee von gestern? Nein, Asche von morgen!
Die Fakten:
Wie das britische Blatt „The Observer“ vor einigen Tagen enthüllte, stellte der Tabakkonzern Philip Morris (PMI) 161 Lobbyisten eigens dafür ein, die von der EU schon seit längerem geplante Änderung der Tabakrichtlinie soweit wie möglich abzuschwächen. 230 Treffen habe es seit Mitte 2012 mit Abgeordneten gegeben. Allein für diese Treffen in Form von Geschäftsessen seien 1,5 Millionen Euro an Spesen abgerechnet worden. 233 und damit ein knappes Drittel aller Abgeordneten seien mindestens einmal kontaktiert worden, einige vier bis fünf Mal. Besonders viele Volksvertreter wurden aus dem konservativen und liberalen Lager kontaktiert. Wen wundert’s.
Die Zahlen:
Lassen wir Zahlen sprechen: 230 Geschäftsessen kosteten insgesamt 1,5 Millionen Euro, das ergibt durchschnittlich 6.521,7 Euro pro Essen. Ausrufezeichen. Ob in dieser Summe die Kosten für das Einfliegen der Gäste bei Terminschwierigkeiten schon enthalten sind, ist unbekannt. Was also haben die Herrschaften gegessen? Indische Speisen, die gern mit getriebenem Blattsilber garniert werden? Und dazu Danziger Goldwasser?
Bevor unsere Phantasie Kapriolen schlägt, rechnen wir uns aus, wie viele PMI-Zigaretten sich in (schlechte) Luft auflösen müssen, um diese Extraausgabe zu finanzieren: Vom derzeitigen Verkaufspreis einer Packung Marlboro hierzulande fließt nach Abzug des Steueranteils von rund 3,80 € und der Händlermarge von durchschnittlich 0,40 € circa 1 € in die Kassen des Tabakherstellers. Legt man also die deutsche Preisstruktur zugrunde, werden Raucher 1,5 Millionen Packungen Zigaretten konsumieren müssen, nur um die Straßburger Gelage zu bezahlen. Ein wahrer Ascheberg, den 28,5 Millionen Zigaretten uns da bescheren werden. Anzumerken ist, dass die Höhe aller weiteren Lobbykosten nicht offengelegt wurde: die Honorare der PMI-Lobbyisten, weitere Spesen und alle Ausgaben anderer Tabakunternehmen rund um die Torpedierung der Tabakrichtlinie. Der Ascheberg zur Abbezahlung dieser Investitionen erhöht sich dadurch sicher noch beträchtlich.
Das Ergebnis:
Wir legen den Rechenstift weg und überlegen. Auf den ersten Blick sieht es für die Tabaklobby sehr gut aus: Die Verabschiedung der Tabakrichtlinie wurde aufgrund fadenscheiniger Argumente von Pro-Tabak-Verfechtern auf den 8. Oktober verschoben. Sogar wenn an diesem Tag tatsächlich endgültig abgestimmt wird, verzögert sich aller Voraussicht nach der Abschluss der Verhandlungen auf nächstes Jahr, dann wird das tabakfreundliche Griechenland die Ratspräsidentschaft übernommen haben. Das Spiel auf Zeit scheint gelungen.
Auf den zweiten Blick sieht es ebenfalls tabakfreundlich für die Lobby aus: gleich, ob der britischen Zeitung die internen PMI-Dokumente mit oder ohne Wissen des Tabakriesen zugespielt wurden, werden doch die EU-Abgeordneten insgesamt durch das Bekanntwerden dieser Zahlen in den Augen der Öffentlichkeit diskreditiert, denn man wird nicht unterscheiden, wer sich von den Lobbyisten hat einladen lassen und wer nicht. Die Akzeptanz jeglicher EU-Richtlinien wird das genauso wenig fördern wie die Bereitschaft von Parlamentsmitgliedern, sich künftig noch auf wenig erfolgversprechende Kämpfe mit der Tabaklobby einzulassen.
Erst auf den dritten Blick zeigt sich ein Funken Hoffnung für Pro-Rauchfrei Engagierte: Wenn Raucher erst einmal deutlich erkennen, wie viel Geld sie der Aufschub der Tabakrichtlinie zusätzlich kosten wird, stellen sie sich neben der Gesundheitsfrage wohl bald noch häufiger die Kosten-/Nutzenfrage.
Deren Ergebnis kann eigentlich nur pro rauchfrei ausfallen.