Tobaccogate muss lückenlos aufgeklärt werden

03.05.2013  Der von Pro Rauchfrei bereits im Oktober 2012 durchschaute Skandal um den erzwungenen Rücktritt von John Dalli (Hat die Tabaklobby den Rücktritt von EU-Gesundheitskommissar John Dalli raffiniert inszeniert?, s. unten) wird nun wieder zum Thema: hoffentlich mit nachhaltigen Folgen für alle Beteiligten.

John Dalli gab erstmals nach diesem Fall von Tobaccogate ein Interview zur Sache. Wer bis jetzt noch nicht sicher war, wem er glauben sollte, dem werden die Augen durch die für sich sprechenden Details des Vorgangs geöffnet.  „So etwas hat es noch nie gegeben“, äußerte Dalli  im gleichnamigen Beitrag des ZDF-Magazins frontal21.

Zur Vorgeschichte: Dalli hatte an einer massiven Verschärfung der EU-Tabakrichtlinie gearbeitet, als er von einer Lobbyistin von Swedish Match, einem schwedischen Tabakkonzern, kontaktiert wurde.  Dalli berichtet: Seine Besucherin erweckte bei ihm den Eindruck, eine Anwältin oder Beraterin zu sein und Informationen zu sammeln. Doch das war erst der Anfang – die Tabaklobby scheute nicht davor zurück, Ereignisse und Gespräche zu erfinden, die als alleiniges Ziel hatten, John Dalli zu kriminalisieren und auf diese Weise einen ihrer größten Gegner zu beseitigen.

Es ging und geht diesem Konzern unter anderem um die Legalisierung von Snus, einem Oraltabak, dessen Vertrieb in der EU verboten ist. Nachdem klar war, dass Dalli dieses Verbot aufrechterhalten wollte, wurde offensichtlich beschlossen, ihn durch einen beeinflussbareren Kommissar zu ersetzen.

EU-Präsident Barroso informierte John Dalli für ihn völlig überraschend kurz über die Vorwürfe und forderte ihn unmittelbar darauf zum Rücktritt auf, sonst würde er entlassen. Dalli, dessen Argumente überhaupt nicht gehört wurden, bat um 24 Stunden Zeit, um rechtlichen Rat einholen zu können. Er erhielt 30 Minuten! Des Weiteren wurde Dalli der Einblick in die ihn belastenden Unterlagen des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) verwehrt, mit der Begründung, diese seien „vertraulich“. Bis heute weiß er nicht, was man ihm wirklich vorwirft. So könne er sich auch gar nicht verteidigen.  „Wie eine Fliege an der Wand“ sei er beiseitegeschoben worden, sagt Dalli.

Alles war minutiös geplant: bereits eine Stunde nach dem Gespräch mit Barroso wurden die Mitarbeiter Dallis von der EU-Generalsekretärin Cathrine Day unterrichtet, sie unterstünden ab sofort einem neuen Kommissar. Gleichzeitig informierte sie darüber, dass die geplante Tabakrichtlinie ausgesetzt sei. Dallis Nachfolger Borg hat inzwischen eine stark verwässerte Tabakrichtlinie durchgesetzt und damit den Interessen der Tabakindustrie zugearbeitet. Auch wenn diese dennoch das „neue Werk“ kritisieren, konnten sie wesentliche Einschnitte in ihrem Kampf um neue abhängige Kunden verhindern. Das Gejammer soll nur von den mafiosen Methoden einer ganz und gar skrupellosen und gemeingefährlichen Industrie ablenken. Insgeheim haben dort sofort nach dem Rausschmiss von Dalli die Champagnerkorken geknallt.

Pro Rauchfrei fordert eine schonungslose Aufklärung der Machenschaften, die zu Dallis Rücktritt führten.

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