NRW: Öffentliche Expertenanhörung Nichtraucherschutz

Schriftliche Stellungnahme des Bundesverbandes Pro Rauchfrei e.V. zur öffentlichen Anhörung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern in Nordrhein-Westfalen(Nichtraucherschutzgesetz NRW – NiSchG NRW)

25.09.2012  Mit der Vorlage des Entwurfs zur Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes NRW legen die Regierungsparteien ein Gesetz vor, das wir in der Summe als sehr zufriedenstellend bezeichnen können. Wichtig ist vor allem, dass mit diesem Entwurf das bisherige Gesetz, das mehr die Raucher als Nichtraucher schützte, durch ein Gesetz ersetzt wird, das wirklich den Namen „Nichtraucherschutzgesetz“ verdient.

In folgenden Punkten wünschen wir uns, unabhängig von föderalen Gesichtspunkten, weitergehende Regelungen, wie hier aufgeführt:

  1. Klarstellung: Niemand darf ohne sein ausdrückliches Einverständnis Tabakrauch ausgesetzt werden. Insbesondere dürfen Kinder, Jugendliche oder Personen, die sich nicht selbstbestimmt äußern können oder sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden in keinem Fall und an keinem Ort Tabakrauch ausgesetzt werden.
  2. Bezugnehmend zu 1. gilt daher, dass auch in PKW’s nicht geraucht werden darf, wenn Kinder, Jugendliche oder Personen, die sich nicht selbstbestimmt äußern können, mitfahren.
  3. Unter § 1 finden wir die Formulierung „sonstigen vollständig umschlossenen Räumen“ für nicht ausreichend. Wir hätten uns daher die Formulierung „sonstigen überdachten Bereichen“ gewünscht. Schließlich zeigen die Erfahrung, dass Wirte sehr erfinderisch sind und mit den heutigen Möglichkeiten auch Bereiche schaffen, die zwar nicht vollständig geschlossen, aber doch so abgedichtet sind, dass selbst unter einer Markise die gleiche passive Gefährdung für Nichtraucher gegeben ist, wie in vollständig geschlossenen Räumen. Zusätzlich werden nicht vollständig geschlossene Stadien erfasst, siehe Punkt 8 zu §2 Abs. 4.
  4. Grundsätzlich sollte im Umkreis von 5-7 Metern vor Haltestellen des öffentlichen Personenverkehrs nicht geraucht werden dürfen. In jedem Fall jedoch muss dies für überdachte Wartebereiche gelten, auch wenn sich diese im Freien befinden (sog. Bushäuschen).
  5. Grundsätzlich müssen in den unter § 2 genannten Einrichtungen Schwangere vor dem Tabakrauch geschützt werden. Sie dürfen daher nicht dort eingesetzt werden, wo das Rauchen erlaubt ist (Raucherzimmer).
  6. Die Ausnahmen nach § 3 Abs. 2 sind weder sachlich noch juristisch notwendig. Sie sollten ersatzlos gestrichen werden.
  7. Sofern Ausnahmen gemacht werden (was wir grundsätzlich ablehnen), sollte unmissverständlich klar gemacht werden, dass diese nur möglich sind, wenn absolut sichergestellt ist, dass andere Personen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden dürfen. Dies bedeutet, dass Raucherräume nicht einfach durch Umdeklarierung eines gewöhnlichen Raums geschaffen werden dürfen, sondern dass sie spezielle Auflagen (Unterdruck: Rauch darf auch bei Öffnen der Türen nicht nach außen gelangen; selbstschließende Türen; Bereich mit Raucherzimmern muss räumlich getrennt sein, z.B. durch eigenen Flur.
  8. In §2 Abs.4 sollte ergänzt werden:

Nicht vollständig umschlossene Stadien, die mit überdachten Tribünen ausgestattet sind.
Begründung: Weil in den Stadien die Zuschauer in der Regel dicht an dicht beisammen stehen oder sitzen, können die Auswirkungen des Passivrauchens durchaus mit dem eines gut gefüllten Raucherlokals verglichen werden. Aufgrund ihrer Bauweise lassen Stadien eine luftreinigende und daher luftverbessernde Luftzirkulation nicht mehr zu. Auch die als Komfort für die Besucher konzipierte Überdachung der Zuschauerränge, erweist sich hier als negativ. Der Rauch kann dadurch weniger (bis gar nicht) nach oben abziehen, sondern wird sogar wieder nach unten gedrückt. Davon sind besonders die Zuschauer in den Oberrängen betroffen. Die Zuschauer in den Stadien bzw. Arenen sind den Schadstoffen des Tabakrauchs ungeschützt ausgesetzt.

Sofern diese Punkte nicht ins Gesetz übernommen werden, müssten sie unbedingt in den Ausführungsbestimmungen berücksichtigt werden.

Dem Änderungsgesetz können wir bescheinigen, dass es unter den Ländergesetzen eines der besten Nichtrauchergesetze überhaupt ist. Insbesondere finden sich Regelungen wieder, die bisher durch fehlende Festlegungen in manchen Gesetzen immer wieder zu Streitigkeiten geführt haben. So schließt Nordrhein-Westfalen in unserer Wertigkeit zu Bayern und dem Saarland auf.

Erfahrungsbericht und weitere Begründungen für einen besseren Nichtraucherschutz:

Pro Rauchfrei war der eigentliche Urheber für den Volksentscheid zum Nichtraucherschutz in Bayern, an dessen erfolgreicher Umsetzung wir maßgeblich mitgewirkt haben. Wir sehen nun, dass nach anfänglichem Sträuben, sich auch die vehementesten Gegner nicht nur mit der „Vorfahrt für Nichtraucher“ abgefunden haben, sondern sie inzwischen sogar als das bessere Geschäftsmodell loben:

Fast allen Wirten geht es wirtschaftlich besser. Diejenigen jedoch, die ohnehin am Existenzminimum mit ihrer seit Jahrzehnten verqualmten Kneipe und einem begrenztem rauchendem Publikum standen und nicht willens waren, sich ein zeitgemäßes Geschäftsmodell zuzulegen, waren die Verlierer, die zahlenmäßig jedoch nicht von Belang sind.

Einer der größten Gegner des bay. Nichtrauchergesetzes waren die Wies’n-Wirte (Oktoberfestwirte). Sie haben wirtschaftlich denkend aus der vermeintlichen Not eine Tugend gemacht. Obwohl sie es im ersten Jahr nicht mussten, haben sie sogleich ein positives Konzept entwickelt und ihre Zelte rauchfrei gemacht. Auch in allen anderen, zahlreichen Brauchtumsveranstaltungen des Freistaates hat sich weder die Zahl der Besucher noch der Ertrag der Wirte verringert – im Gegenteil.

„Gutachten“, die belegen wollen, dass in Bayern das Rauchverbot in Kneipen zu einem wirtschaftlichen Niedergang geführt habe, sind in unseriöser Weise erstellt worden. Uns liegt eine Aussage eines Mitglieds eines Rauchervereins vor, die besagt, dass nicht ein unabhängiges Institut sondern vielmehr die Raucher selbst die Befragung der Wirte durchgeführt haben. Das Institut hat lediglich die ihm vorgelegten Daten statistisch ausgewertet und verarbeitet. Vertrauen Sie daher nur den staatlichen statistischen Ämtern.

Schäbig finden wir es, wenn Parteien nur aus taktischen Gründen und nicht aus Vernunft und Weitsicht gegen das Änderungsgesetz argumentieren. Denn die Freiheit der Wirte, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Gaststätte führen wollen, hat nirgendwo funktioniert, weder bei der Hygiene noch beim Nichtraucherschutz.

Völlig unglaubwürdig ist die Ablehnung des Gesetzentwurfs durch Parteien, die sich nicht von der Tabakindustrie distanzieren, sondern sich regelmäßig von dieser zu Incentives einladen lassen und deren finanzielle Zuwendungen gerne (auch heimlich) annehmen. Damit können wir Nichtraucher nicht dienen: Wir haben kein Geld aus einem sich immer wieder revolvierendem Geschäftsmodell mit der Sucht. Wir können nur unsere Gesundheit und Freiheit in die Waagschale werfen, Güter die nicht nur durch die Verfassung sondern auch durch die Parteien gegen ein Drogen-Syndikat verteidigt werden sollten.

Nehmen Sie den Wirten die Verantwortung ab, sich für den Nichtraucherschutz rechtfertigen zu müssen. Schaffen sie wettbewerbsgleiche Chancen, indem Sie den Wirten mit einem einheitlichen und ausnahmslosen Nichtraucherschutz helfen.

Alle Schäden, die durch das Rauchen dem Sozialstaat entstehen, übertreffen bei Weitem die Einnahmen aus der Tabaksteuer. Prof. Adams beziffert die Kosten der tabakbezogenen „Kollateralschäden“ auf 33,6 Mrd. EUR, gegenüber ca. 14 Mrd. EUR aus der Tabaksteuer (Quelle: Universität Hamburg, Institut Recht der Wirtschaft).

Ohne klare Regelungen herrschen auf der einen Seite Lobbyismus, Sucht und teils auch Rücksichtslosigkeit, und auf der anderen Seite Ignoranz, Faulheit, Resignation vor. Dies ist auch der Grund, warum Nichtraucher sich nicht selten dem Gruppenzwang fügen und Raucherkneipen aufsuchen (müssen).

So selbstverständlich wie man auf die Toilette geht, gehen die Raucher zum Rauchen ins Freie. Die anfänglichen „Trauben“ vor den Türen haben sich merklich reduziert, da die Raucher ihren Rauchkonsum deutlich eingeschränkt haben. Schließlich werden sie weniger zum Rauchen animiert. Das ist für viele eine große Hilfe, mit dem Rauchen ganz aufzuhören.

Wichtig ist uns noch zu betonen, dass sich die Abgeordneten weder von den zynischen und falschen Behauptungen oder den Ängsten des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DeHoGa) noch von scheinheiligen und fanatischen Rauchergruppierungen wie dem Bündnis für Freiheit und Toleranz (BFT) beeindrucken lassen, die den Freiheitsbegriff rein für ihre Zwecke missbrauchen. Sie berücksichtigen nicht, dass die Freiheit der Raucher dort endet, wo die Freiheit des Nichtrauchers beginnt; und das ist jeder öffentliche Bereich. Ihr Freiheitsbegriff korrespondiert eher mit Anarchie, weshalb sie einen Staat, der seine Bürger schützen will, ja sogar muss, als Verbotsstaat verunglimpfen.

Wirklich frei sind nur Menschen, die nicht einem (Rauch)-Zwang unterliegen. Raucher sind im Rechtsempfinden Störer und haben daher immer hinter den Nichtstörern (Nichtraucher) zurückzustehen, egal wo.

Der DeHoGa war es, der sich mit dem Bruch des Vertrages mit dem Bundesministerium für Gesundheit von 2002 über eine freiwillige Sicherstellung von rauchfreien Plätzen in der Gastronomie, als ernst zu nehmender Partner der Wirte und der Politik diskreditiert hat. Er hat sich stets in erster Linie als Partner der Tabakindustrie verstanden, die diesen Verband gezielt seit Jahrzehnten steuert und für ihre Interessen missbraucht. Denn für die Tabakindustrie sind die Gaststätten die wichtigsten Umschlagsplätze für ihre Nikotindroge. Deshalb sind sie es auch, die immer wieder diese leidliche Debatte anfeuern und mit Emotionen satt mit Fakten argumentieren.

Abschließend möchten wir noch folgendes anmerken:

Pro Rauchfrei steht für einen Nichtraucherschutz ohne Ausnahmen insbesondere in Gaststätten (einschließlich überdachter Außenbereiche), für den Schutz von Kindern, Jugendlichen und Personen, die sich nicht selbstbestimmt äußern können, vor dem giftigen und schädlichen Tabakrauch und für das Recht auf eine passivrauchfreie Wohnung.

Wir vertreten 2.000 Mitglieder und mehrere Tausend Freunde bundesweit. Unter diesen Aspekten solidarisieren wir uns mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf.

Wir fordern alle Parteien auf, die Abstimmung nicht mit einem Fraktionszwang zu belegen und empfehlen Ihnen unsere o.g. Änderungen.

Die Abgeordneten bitten wir, rein nach ihrem Gewissen zu entscheiden und die Notwendigkeit anzuerkennen, dass das bevölkerungsreichste Bundesland endlich mit Bayern und dem Saarland gleich zieht.
Mit diesem Änderungsgesetz rückt Nordrhein-Westfalen auch in die europäische Oberliga des Nichtraucherschutzes auf, der wichtige Staaten wie Skandinavien, Großbritannien, Frankreich und Italien bereits angehören.

21.09.2012, Pro Rauchfrei e.V.
gez. Dipl-Kfm. Siegfried Ermer
Vorstandsvositzender