22.01.2012 Das Telefon klingelt. Und klingelt. Und klingelt. Niemand im Büro ist da, um den Anruf entgegen zu nehmen, denn viele Mitarbeiter stehen draußen und rauchen. Es ist mal wieder Zeit für eine Raucherpause.
So oder ähnlich sieht es täglich in zahlreichen deutschen Betrieben aus, immer wieder kommt es durch die schnelle Kippe zwischendurch zu Unterbrechungen in den Arbeitsabläufen oder nichtrauchende Mitarbeiter müssen für die rauchenden Kollegen weiterarbeiten.
Wirtschaftsfaktor Raucherpause
Diese Arbeitsunterbrechungen führen aber nicht nur zu gestörten Betriebsabläufen, der Nikotinkonsum ihrer Mitarbeiter kommt die Unternehmen auch teuer zu stehen. Berücksichtigt man die Arbeitszeit, die für das Rauchen beansprucht und somit effektiv nicht erbracht wird, sowie die auf das Rauchen zurückführbaren krankheitsbedingten Ausfallzeiten, so kostet das Rauchen nach Berechnungen von Siegfried Ermer, Vorstandsvorsitzender von Pro Rauchfrei e.V., einen mittelständischen Betrieb mit 1.000 Mitarbeitern mit 30 % Raucheranteil jedes Jahr durchschnittlich 2,16 Millionen Euro. Wird in speziellen Raucherräumen geraucht, entstehen dafür noch zusätzliche Kosten, etwa für die Anschaffung und Wartung der Belüftungsanlagen sowie die Renovierung der Räume.
Da überrascht es nicht, dass Wirtschaftsverbände jetzt die Einführung eines allgemeinen Rauchverbots am Arbeitsplatz gefordert haben. Rauchen sei Freizeitbeschäftigung und kein menschliches Grundbedürfnis, deshalb solle es nur nach Feierabend sowie in der Mittagspause gestattet sein.
„Schluss mit dem blauen Dunst bei der Arbeit“, erklärt der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, gegenüber der Bild-Zeitung.
Gleichbehandlung von Rauchern und Nichtrauchern
Entscheidend ist, dass kein Nichtraucher durch die Raucherpausen seiner Kollegen benachteiligt wird. Nach der Arbeitsstättenverordnung hat jeder Angestellte ein Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz, es gilt also ein generelles „Nichtrauchgebot“. Der Raucher muss folglich den Betrieb verlassen und nach draußen gehen, um zu rauchen. Raucher arbeiten also zwangsläufig weniger als Nichtraucher. Da die Raucherpausen in der Regel in die Länge gezogen werden und es häufig nicht bei einer Zigarette bleibt, sind sie nicht etwa wie vielfach behauptet mit dem Toilettengang, Kaffee holen oder einem schnellen Gespräch auf dem Flur gleichzusetzen. Da aber von den Nichtrauchern ebenfalls verlangt wird, zu den Arbeitszeiten anwesend zu sein, gibt es nach der Entscheidung des OVG Münster (2010) kein subjektives Recht auf Raucherpausen. Der Arbeitgeber kann also sein Hausrecht ausüben und das Rauchen auf dem gesamten Betriebsgelände untersagen.
Will er um des Betriebsfriedens willen Raucherpausen gestatten, dann kann er eine Gleichbehandlung mit den Nichtrauchern dadurch erreichen, dass Raucher für ihre Pausen an Zeiterfassungsgeräten ausstempeln müssen, damit diese Zeit nicht als Arbeitszeit abgerechnet wird. Pausen dienen letztlich der Erholung, bezahlte Raucherpausen führen aber dazu, dass der Arbeitgeber seine Mitarbeiter für die (nachgewiesene) Vergiftung ihres Körpers entlohnt.
Eine andere Möglichkeit, Benachteiligungen der Nichtraucher zu verhindern, ist die Einführung eines Belohnungssystems. So könnte für das Nicht-Rauchen ein Bonus zum Lohn ausbezahlt werden.
Komplett rauchfreie Arbeitsplätze
Will der Arbeitgeber auf die völlige Qualmfreiheit in seinem Unternehmen hinwirken, so gibt es auch dafür sinnvolle Ansätze: Zum Einen könnte in Nikotinentwöhnungsseminare investiert werden, um die Produktivität und nicht zuletzt die Gesundheit der Mitarbeiter zu fördern. Solche Seminare, die auf einen willensgesteuerten Entzug hinwirken, sind deutlich viel versprechender als andere Entwöhnungsmethoden wie Nikotinpflaster oder –kaugummis.
Auch kann der Arbeitgeber schon bei der Einstellung seiner Mitarbeiter bewusst Nichtraucher auswählen, was nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aufgrund des berechtigten Interesses des Arbeitgebers ein zulässiges Auswahlkriterium und nicht etwa eine Diskriminierung darstellt.
Letztlich liegt es also an den Arbeitgebern, den Nichtraucherschutz in ihren Betrieben umzusetzen. Sinnvoll ist ein generelles Rauchverbot am Arbeitsplatz demnach schon, wie dieses auszugestalten ist, muss aber jeder Betrieb selbst entscheiden. „Am besten sind Regelungen freiwilliger Selbstkontrolle“, sagt Siegfried Ermer.
Fest steht, dass sich in den letzten Jahren immer mehr Nichtraucher wehren, wenn es darum geht, ihre Gleichberechtigung am Arbeitsplatz zu sichern.
Sollte nun ein absolutes Rauchverbot am Arbeitsplatz gesetzlich verankert werden?
Der Gesetzgeber hat alle Arbeitgeber in §5 der Arbeitsstättenverordnung bereits verpflichtet, nichtrauchende Arbeitnehmer durch die dafür erforderlichen Maßnahmen vor den Gefahren des Passivrauchens an der Arbeitsstätte zu schützen. Kritik an dieser Regelung wird insoweit laut, als dass mehrdeutige Formulierungen wie „Arbeitsstätte“ und „erforderliche Maßnahmen“ in verschiedene Richtungen ausgelegt werden können. Klare Definitionen und eine einheitliche Regelung könnten dem Abhilfe schaffen und dabei helfen, dass der Nichtraucherschutz in den Betrieben auch tatsächlich die volle Geltung erlangt.
Das Verhalten der Wirtschaftsverbände kritisiert die Grünen-Politikerin und nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (die sich gerade für ein umfassendes Rauchverbot in der Gastronomie Nordrhein-Westfalens einsetzt) als inkonsequent und stellt sich gleichfalls gegen starre Regelungen zu Raucherpausen. Arbeitnehmer hätten bereits jetzt keinen Rechtsanspruch auf vergütete Raucherpausen und die Arbeitgeber müssten nach eigenem Ermessen entscheiden, ob und wie sie ihren Beschäftigten das Rauchen ermöglichen. Steffens sieht die Arbeitgeber doppelt in der Pflicht: Zum Einen müssten sie den Nichtraucherschutz gewährleisten, zum Anderen aber auch Hilfe für ihre nikotinsüchtigen Mitarbeiter anbieten.
Die Gewerkschaft Ver.di sieht den Betriebsfrieden in den Unternehmen in Gefahr und stellt sich daher auch gegen die gesetzliche Verankerung eines allgemeinen Rauchverbots an Arbeitsstätten. „Die bereits gelebte betriebliche Praxis, mit Hilfe von Betriebsvereinbarungen Rauchpausen zu regeln, ist sinnvoll und hat sich bewährt“, so eine Sprecherin gegenüber dem Stern.
Es spricht also vieles dafür, das Thema „Verbot von Raucherpausen“ weiter zu diskutieren. Pro Rauchfrei e.V. wird sich dabei weiter aktiv einbringen und auf verbindliche Regelungen hinwirken.