02.01.2012 Eine 2009 vom Tabakhersteller Philip Morris durchgeführte Studie zum Thema „Additive in Zigaretten“, firmenintern auch als „Projekt MIX“ bezeichnet, wird von Wissenschaftlern der Fachzeitschrift „PloS Medicine“ stark angezweifelt. Nach den vorliegenden Forschungsergebnissen der Studie, welche in verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden, wurde den einer Zigarette beigemengten Zusatzstoffen eine geringe bis keine erhöhte Gesundheitsgefahr attestiert. Die Studie schließt mit dem Fazit, dass keinerlei nennenswerte Erhöhung der Toxizität durch die insgesamt 333 getesteten Zusatzstoffe, darunter Menthol und verschiedene Feuchthaltemittel, beobachtet werden konnte.
Dieses überraschend positive Ergebnis, so die Wissenschaftler der Universität von Kalifornien in San Francisco, sei nur durch gezielte Manipulation der Forschungsdaten haltbar und somit ein Täuschungsversuch seitens des Tabakkonzerns. Nachdem die Forschungsdokumentation durch das Team um Prof. Glanz überprüft und einer gründlichen Neubewertung unterzogen wurde, sei das Fazit der Studie nun als konträr zum ursprünglichen Ergebnis anzusehen.
„Die vorliegende Analyse ergibt, dass Rohkondensat und zahlreiche Toxine erheblich zunehmen, wenn Zigaretten Additive zugesetzt werden“, schreiben die Forscher als Schlussfolgerung in ihre Pressemitteilung. Die beigemengten Stoffe erhöhen das Erkrankungsrisiko enorm, da der Gehalt an krebserregenden Stoffen wie Cadmium, Blei, Arsen und Formaldehyd durch Additive im Zigarettenrauch um fast ein Fünftel gesteigert werde. Somit bestehe ein um 20 % erhöhtes Erkrankungsrisiko durch die Stoffe, die der Verträglichkeit und des Geschmacks wegen dem Tabak zugegeben werden.
Die konkrete Manipulation, so die Forscher, teile sich in zwei Phasen. Einerseits sei das Experiment von vornherein mit einer zu geringen Anzahl an Versuchstieren ausgestattet worden, um einer facettenreichen Wirkung der Chemikalien vorzubeugen und so evtl. unliebsame Auswirkungen zu verschleiern. Andererseits sprechen die Wissenschaftler von nachträglichen Änderungen an Versuchsprotokollen, nachdem Ergebnisse mit erhöhten Rohkondensatwerten vorlagen. So sei es überhaupt möglich gewesen, ein Resultat im Sinne des Konzerns zu erhalten, welches auf wissenschaftlicher Basis jeglicher Grundlage entbehrt.
„Solange ein profitorientiertes Unternehmen Studien in Auftrag gibt und die sie durchführenden Wissenschaftler dafür bezahlt, sind diese sogenannten Studien kaum ernstzunehmen“, sagt Siegfried Ermer, Vorsitzender von Pro Rauchfrei e.V. „Wie in allen anderen Branchen auch sind nur unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen von glaubwürdigem Wert für die Verbraucher, und da hat noch keiner weder den Zigaretten noch den Zusatzstoffen unschädliche Wirkung attestiert.“ Trotzdem sei besonders in Bezug auf additive Stoffe in Zigaretten Forschungsbedarf gegeben, da deren Wechselwirkung untereinander noch unzureichend geklärt sei.
Philip Morris indes bestreitet die Vorwürfe und hält in einer schriftlichen Stellungnahme an dem ursprünglichen Ergebnis der Ausgangsstudie fest. Den Wissenschaftlern aus Kalifornien wirft der Konzern im Gegenzug vor, unsauber und nur im Netz recherchiert zu haben. Angesichts der vielen Gegenstimmen aus dem Kreise der Wissenschaft und der Offensichtlichkeit des Anliegens des Konzerns wirkt dieses Beharren jedoch zweifelhaft. „Schon die Logik der Toxikologie sagt, dass die beigemengten Zusatzstoffe gesundheitsschädlich sind, wenn man sie verbrennt“, sagt Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg der Zeit Online. Dass Tabakkonzerne bewusst Forschungsergebnisse auf der Suche nach der sogenannten „sicheren Zigarette“, manipulieren, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen, ist schon seit längerem kein Geheimnis mehr. Nun konnte dies auch im konkreten Fall von wissenschaftlicher Seite nachgewiesen werden.