01.11.2011 Auf der Hauptversammlung von Pro Rauchfrei e.V. am 21. / 22. Oktober wurden Siegfried Ermer in seinem Amt als Vorstandsvorsitzender und Andreas Zeilinger als Vorstand für Finanzen bestätigt. Stephan Weinberger, unser Referent der Beschwerdestelle, wurde außerdem als neuer Vorstand gewählt und ersetzt den bisherigen Vorstand Patrick Kast, der sich in den kommenden zwei Jahren verstärkt um die Berliner Landesebene kümmern und die Verbandspolitik auf Bundes- und Europaebene vertreten wird.
Siegfried Ermer und Stephan Weinberger standen unserem Redakteur Nils Mehnert Rede und Antwort und erzählten, wie es mit Pro Rauchfrei e.V. weitergehen soll und welche Ziele der Verein in Zukunft verfolgt.
Herr Weinberger, wozu muss es einen Verein für Nichtraucher überhaupt geben?
Stephan Weinberger: Den muss es deswegen geben, weil es auf lange Zeit der Regierung nicht gelungen ist, einen geeigneten Nichtraucherschutz zu entwickeln. Außerdem gibt es in der Politik sonst keine Interessengruppe, die für den Nichtraucherschutz eintritt.
Was habe ich denn davon, dem Verein beizutreten?
Siegfried Ermer: Nichtraucher, die ein Anliegen haben, haben größere Chancen, dieses zu realisieren. Beim Fußball ist eine Mannschaft nur erfolgreich, wenn alle Spieler zusammenarbeiten. Wenn wir beim Nichtraucherschutz etwas erreichen wollen, müssen wir auch zusammenarbeiten. Denn nur die Masse wird beachtet. Man muss sich mal vorstellen, was wir erreichen könnten, wenn wir der ADAC der Nichtraucher wären!
Sie betonen, wie wichtig Pro Rauchfrei die Zusammenarbeit ist. Und trotzdem arbeitet der Verein nicht bzw. nur selten mit anderen Nichtrauchervereinen zusammen?
Siegfried Ermer: Wir arbeiten mit allen Vereinen zusammen, die für einen toleranten Nichtraucherschutz sind. Wir wollen klare Gesetze und strikte Regeln. Aber gewisse Dinge wie Kautabak sind nicht unser Feld. Auch der Schutz des Rauchers vor seiner eigenen Sucht nicht. Wir wollen Nichtraucher schützen. Das Problem ist, dass viele Nichtraucherorganisationen gar nicht diesen Anspruch haben, bundesweit aktiv zu sein. Es gibt meist nur lokale Initiativen. Mit denen kann man nur punktuell zusammenarbeiten. Die müssen bereit sein, sich einer größeren Organisation zu öffnen, das wollen viele nicht. Wir sind da offen.
Was ist mit Gruppen, die striktere Rauchverbote möchten als Pro Rauchfrei?
Siegfried Ermer: Wir arbeiten nicht mit Gruppen zusammen, die den Verkauf von Tabakwaren grundsätzlich verbieten wollen. Man muss Tabakwaren nicht 24 Stunden am Tag kaufen können, aber sie müssen auch nicht grundsätzlich verboten werden.
Teilweise sehen Gruppierungen alle Politiker als korrupt an, wir nicht. Solche reaktionären Gruppen sind nicht realitätsnah. Wir jedoch suchen den Konsens, der uns Nichtrauchern dient.
Raucher sind für uns in erster Linie Mitmenschen, die ein Suchtproblem haben. Das ist aber kein Grund, sie zu hassen. Pro Rauchfrei ist ein Verein seriöser Nichtraucher, die den Nichtraucherschutz verbessern wollen. Reaktionäre Gruppen arbeiten nicht seriös, sondern versuchen, auf radikale Weise gegen Raucher vorzugehen. Damit wird man aber niemals einen akzeptablen Konsens erreichen können.
Wie kann der Verein neue Mitglieder gewinnen? Muss er das überhaupt?
Stephan Weinberger: Der Verein muss neue Mitglieder gewinnen! Denn je mehr Mitglieder er hat, desto wirksamer ist er und desto mehr kann er erreichen. Die Mitgliederwerbung muss mit der Öffentlichkeitsarbeit abgestimmt werden und dafür muss auch die Homepage überarbeitet werden. Außerdem muss aggressiver Werbung gemacht werden und unsere Erfolge müssen deutlich gezeigt werden.
Siegfried Ermer: Wir sind der breiten Bevölkerung nur sehr wenig bekannt und daran müssen wir arbeiten. Durch Aktionen gewinnen wir die meisten Mitglieder, deswegen haben wir da einiges geplant.
Wo steht Pro Rauchfrei in fünf Jahren?
Stephan Weinberger: In fünf Jahren sollte Pro Rauchfrei es geschafft haben, seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit deutlich zu verbessern und weiter als seriöser Ansprechpartner der Presse zu dienen. Ähnlich wie es der ADAC für die Autofahrer ist. Dafür muss es mehr öffentlichkeitswirksame Aktionen und Aktivitäten geben, um Pro Rauchfrei präsenter zu machen. Man muss aber auch zeigen, was man schon erreicht hat. Denn dadurch zeigt Pro Rauchfrei klar und deutlich, wofür es steht und was es erreichen kann.
Sollen Zigarettenautomaten nach Meinung von Pro Rauchfrei generell verboten werden?
Siegfried Ermer: Zigarettenautomaten sind eine deutsche Spezialität. In kaum einem anderen europäischen Land gibt es sie und in allen zusammen nicht so viele wie bei uns. Das ist ein Problem: Zigaretten sind verfügbarer als Wasser und Brot über den ganzen Tag. Außerdem sind sie ein Werbeträger für die Tabakindustrie, die damit das Rauchen weiter verbreiten möchte. Wenn es ein Rauchverbot gäbe, wären sie überflüssig und unwirtschaftlich. Solange die Gesetze aber nicht strikt das Rauchen unterbinden, wird es weiter viele Raucher geben und die Raucherquote ist entscheidend dafür, ob sich Zigarettenautomaten weiter lohnen.
Stephan Weinberger: Zigarettenautomaten sind ein leichtes Mittel, um schnell und unkompliziert Zugang zu der Droge Tabak zu erhalten. Für Kinder und Jugendliche sind sie besonders interessant, wenn sich die älteren Kumpels Zigaretten ziehen. Der Staat hat keine Pflicht, eine solche Sucht zu fördern, sondern er hat vielmehr darauf hinzuwirken, die von dieser Droge ausgehenden Gefahren für die Mitmenschen einzudämmen. Daher sollten Zigaretten komplett von öffentlich beworbenen Flächen und Kaufhäusern verschwinden. Auch die Automaten sollten abgebaut werden. Die Produkte sollten in normalen Kaufhäusern nur noch nach Wunsch ausgehändigt werden, ohne dass die Produkte beworben werden. Spezielle Tabakläden, die nur Tabak und vielleicht noch Zeitschriften verkaufen, sollten weiterhin die Produkte verkaufen dürfen, also bis zu einer bestimmten Größe. Zutritt sollten nur Kunden über 18 Jahren haben.
Kann der Verein Shisha-Cafés akzeptieren? Wenn ja, unter welchen Bedingungen?
Siegfried Ermer: Gar nicht! Überall, wo Rauch entsteht, haben wir ein Problem. Denn sobald es einmal Sonderregeln gibt, werden diese sich immer mehr ausweiten. Das Einzige, was ansatzweise funktioniert, ist eine Zigarren-Lounge ohne ein gastronomisches Angebot.
Wie sieht es mit der elektrischen Zigarette aus? Sollte sie auch verboten werden?
Stephan Weinberger: Das kommt drauf an, welche Erkenntnisse zur E-Zigarette vorliegen. Bisher ist nur wenig über ihre Schädlichkeit bekannt. Wir haben zur Zeit bei allen Bundesländern eine Stellungnahme angefordert, ob die E-Zigarette unter die geltenden Nichtraucherschutzgesetze fällt. Bis zur Klärung tendiere ich eher dazu, die E-Zigarette nicht zuzulassen. Wenn die Bedingungen passen, kann über eine Akzeptanz nachgedacht werden.
Werden jetzt Alkohol und Fettprodukte auch verboten, weil sie ebenso schädlich sind?
Siegfried Ermer: Trinker schädigen nur sich selbst. Pro Rauchfrei will nicht den Raucher vom Rauchen abhalten, sondern den Nichtraucher schützen. Da Alkohol nicht direkt die Mitmenschen schädigt, braucht es keinen Nichtalkoholikerschutz.
Wird es jemals ein bundeseinheitliches Rauchverbot geben?
Siegfried Ermer: Natürlich wird es ein bundesweites Rauchverbot geben, die Frage ist nur, wann. Ich habe schon 2006, als das mit den Nichtraucherschutzgesetzen losging, die Euphorie gedämpft. Ein Rauchverbot in Gaststätten wird es nicht vor 2015 geben. 2013 wird eine neue Bundesregierung gewählt, ziemlich wahrscheinlich mit Beteiligung der Grünen, die am meisten für den Nichtraucherschutz eintreten. Entscheidend ist, ob die SPD es schafft, sich für einen echten Nichtraucherschutz auszusprechen. Wenn es 2015 dazu kommt, können wir sehr zufrieden sein.
Welchen Einfluss kann der Verein bei Landtagswahlen nehmen?
Siegfried Ermer: Wir können nur indirekt Einfluss nehmen, indem wir den Parteien bzw. den Kandidaten bewusst machen, dass sie mit einem klaren Nichtraucherschutz mehr Stimmen gewinnen. Denn die konservativen Wählerschichten sind vor allem Nichtraucher.
Stephan Weinberger: Der Verein muss das Gespräch mit Politikern suchen, um diese zu beraten. Außerdem sind Eingaben an die entsprechenden Stellen eine wichtige Möglichkeit, um unseren Standpunkt zu vertreten.
Auf der Hauptversammlung hat der Verein eine Resolution verabschiedet, die Kinder stärker schützen soll. Was kann der Verein machen, um sicherzustellen, dass unsere Kinder genug geschützt werden?
Siegfried Ermer: Sicherstellen können wir das nicht, aber wir können ein Bewusstsein schaffen. Das Berauchen von Kindern ist auch eine Körperverletzung, wie physische Gewalt eine Körperverletzung ist. Und das müssen wir immer wieder deutlich machen: Rauchen ist Gewalt an Kindern. Das kommt quasi einer Vergewaltigung des Kindes gleich, denn das Kind kann sich nicht wehren. Daher müsste Zwangsberauchen von Kindern geächtet werden wie körperliche Züchtigung. In Wohnungen, wo Kinder leben, sollte es genauso verboten sein wie an öffentlichen Plätzen. Wir müssen dies deutlich machen, auch wenn wir hier noch nicht die große Masse an Zustimmung finden, weil viele sagen ‚Das geht euch nichts an!‘ – Aber es geht uns doch etwas an.