Nach dem Volksbegehren ist vor dem Volksentscheid!

Während sich Initiatoren und Nichtrauchervereine noch über den (verdienten) Erfolg freuen, bereitet sich die Tabakindustrie auf einen Kampf vor. Deutschland ist einer der wichtigsten Absatzmärkte für Tabakprodukte weltweit und es ist naiv zu glauben, dass sich die Konzerne bereits jetzt geschlagen geben.

04.12.2009  Die Zeichen, die seitens der Regierungskoalition aus CSU und FDP gegeben werden, lassen bereits einen Rückschluss darauf zu, dass im Hintergrund erfolgreich agiert wurde. Es zeichnet sich bereits eine mögliche Strategie und ein erkennbares Kalkül ab.

Hintergrund der Überlegungen ist die Tatsache, dass bei einem Volksentscheid in Bayern keine Mindestquoten bedient werden müssen, sondern die Mehrheiten der abgegebenen Stimmen den Ausgang bestimmt.

Während die Tabakindustrie beim Volksbegehren selbst so gut wie keine Einflussmöglichkeiten hatte, da keine Gegenstimmen abgegeben werden konnten, kann sie bei einem Volksbegehren sehr wohl aktiv in das Geschehen eingreifen und mit Kampagnen (Großplakate, Zeitungen etc.) Stimmung erzeugen und den „Zorn der Raucher“ schüren und anfachen. Geld und Möglichkeit stehen den Konzernen in ausreichender Menge zur Verfügung.

Durchaus ist anzunehmen, dass viele Raucher ihr demokratisches Recht auch ausüben und gegen den Gesetzentwurf stimmen werden. Diese Raucher haben eine starke Motivation – vor allem, weil sie bisher noch keine aktive Möglichkeit hatten, gegen den Entwurf zu stimmen. Die aber, die qualmfreie Luft bevorzugen, mussten bereits einmal in die Rathäuser.

Das ist umso brisanter als die Nichtraucher sich in Angesicht des phantastischen Ergebnisses des Volksbegehrens (rund 1,3 Mio. Stimmen) in einem falschen Gefühl der Sicherheit wiegen könnten und zudem die Akteure und Initiatoren sich nicht nur eine Atempause gönnen, sondern sie nach den harten letzten Wochen brauchen.

Zeit zum Ausruhen gibt es aber nicht. Stattdessen muss jetzt erst recht auf die Tube gedrückt werden. Denn eines ist sicher: Die Tabakkonzerne werden sich wehren und mit allen Mitteln versuchen, einen Erfolg des Volksentscheides zu verhindern – wohlwissend, dass ein Fortschritt in Bayern nicht nur zu langfristig drastischen Umsatzeinbrüchen führen wird, sondern Impulsgeber für noch zögerliche Aktivitäten in den anderen Bundesländern sein wird.

Es ist nicht nur uns klar, dass das längst überfällige Rauchverbot in allen gastronomischen Einrichtungen dazu führt, dass Rauchen massiv an Attraktivität und „Coolness“ verliert und folglich immer weniger junge Menschen eine „Raucherkarriere“ starten. Bleibt aber der Nachwuchs aus oder nimmt er signifikant ab, brechen nicht nur die Umsätze der Tabakkonzerne nachhaltig ein, sondern  es setzt eine Kettenreaktion ein an deren Ende das Rauchen nur noch eine Randerscheinung sein wird und damit wirtschaftlich wie gesellschaftlich eine geringe Bedeutung und einen geringen Stellenwert einnehmen wird.

Es wäre ein fataler Fehler, sich jetzt entspannt zurück zu lehnen und den grandiosen Erfolg des Volksbegehrens zu genießen – denn dieser Genuss könnte durch die sich abzeichnenden Aktivitäten der Tabakkonzerne einen herben Dämpfer erfahren.

Aufgabe und Pflicht für die nächsten Wochen und Monate ist es deshalb, den nicht rauchenden Bürgern permanent vor Augen zu führen, dass der Gang an die Wahlurnen wichtig ist und langfristig darüber entscheidet, ob die Wirtshäuser, Bars und Kneipen künftig frei vom Zigarettenmief sein werden oder ob wir uns Schritt für Schritt den Zuständen nähern, die wir vor den ersten Gesetzgebungsaktivitäten in diesem Bereich hatten.

Klar muss aber auch gemacht werden, dass es nicht darum geht, Raucher auszugrenzen, sondern darum den Qualm vor die Tür zu verbannen. Es geht nicht um Hetze gegen Raucher oder das Rauchen, sondern darum dem Grundsatz „Leben und Leben lassen“ zur Geltung zu verhelfen und einen Kompromiss zu erreichen, der auf gegenseitiger Toleranz basiert – denn nichts anderes wird durch den Gesetzentwurf zum Maßstab.

Dort, wo Ausnahmen bestehen – und wer sich das aktuell bestehende Gesetz durchließt wird erkennen, dass darin nur noch Ausnahmen aufgezählt werden und der Grundgedanke längst vergessen wurde – wird aber nur einseitig Toleranz gefordert. Und da gilt dann der Grundsatz, dass der Klügere so lange nachgibt, bis er der Dümmere ist.

Wer hat denn Lust dazu, vor dem Ausgehen am Abend Verzeichnisse zu wälzen oder vor einer Lokalität umzuplanen, weil dort Nichtraucher unerwünscht sind? Und was versprechen sich die Protagonisten der Kennzeichnung von Raucherlokalitäten? Ähnliche Modelle gab es schon in Südafrika und da kamen die gar nicht gut an. Die Gesellschaft besteht nun einmal nicht aus Rauchern und Nichtrauchern, so wie es die Tabaklobby gerne zum anfachen von Konflikten propagiert, sondern aus Menschen. Allerdings wünscht sich die Tabaklobby nichts mher als eine Spaltung der Gesellschaft – denn nur so kann sie weiter polarisieren. Deshalb wird sie keine Gelegenheit auslassen, die Spaltung herbei zu reden oder zu betreiben.

Am Ende gibt es keine tragfähigen Kompromisse jenseits dessen, dass man das Rauchen überall erlaubt – außer in öffentlichen Einrichtungen und im Gastgewerbe. Mit anderen Worten: Wer beispielsweise im Park, auf der Straße oder innerhalb seiner Wohnung rauchen will, der hat auch weiterhin Recht und Möglichkeit dazu. Das ist vergleichbar mit einem Alkoholverbot am Steuer oder mit Durchfahrtverboten. Jeder Autofahrer kennt das und wer es ignoriert muss eben mit Strafe rechnen, wenn er erwischt wird.

Ein guter Kompromiss für die Raucher, wie ich finde. Toleranz muss trotzdem von allen aufgebracht werden – denn wer als Nichtraucher mal eine längere Strecke hinter einem Raucher laufen musste, der wird sicher nicht über den Gestank in der Luft oder die Kippen auf der Straße erfreut sein. Aber wer fordert schon ernsthaft Prohibition?

Nach dem Volksbegehren ist vor dem Volksentscheid!