Die Wirte wollen frei sein und sich nicht vorschreiben lassen, was in ihren Betrieben passiert. Einmal abgesehen davon, dass diese Forderung in einem Rechtsstaat und in einer Welt mit Grundrechten wenigstens vermessen klingt, kann man in Teilbereichen durchaus darüber diskutieren, ob und wie viel Freiheit man einem Wirt geben kann (und darf) und welche persönlichen und fachlichen Voraussetzungen er dafür erfüllen muss.
05.03.2009 Allerdings gehört zur Diskussion über Freiheit auch immer die Diskussion über Verantwortung – denn wer frei sein will im Handeln, der muss für sein Tun auch die Verantwortung tragen. Und ab diesem Punkt wird es dann interessant.
So fordert ein Verein, der sich mit der gewerbsmäßigen Ausnutzung einer Gesetzeslücke bzw. Gesetzesunschärfe finanziert (VEBWK), dass man Rauchverbote abschaffen soll – also die Interessen einer suchtkranken Minderheit sowie die wirtschaftlichen Interessen einer unbekannten Zahl von Gastronomen über das Wohlergehen und die Gesundheit der Gäste stellen soll.
Gut, sage ich. Nehmen wir die Vorhaben der Politiker, die der Tabaklobby zäpfchengleich ins Rektum gleiten und lassen wir die verfassungsrechtlichen, die menschenrechtlichen, die ethischen, die moralischen, die gesundheitspolitischen und die wirtschaftspolitischen Zweifel an diesem Vorhaben kurz beiseite.
Was dann bleibt sind Wirte, die in der von ihnen gepachteten oder erworbenen Lokalität Gäste zum Rauchen anstiften und ihnen Beihilfe beim Zigarettenkonsum leisten. Klingt ganz harmlos? Ist es aber nicht. Das Rauchen in Gegenwart Dritter ist eine Straftat gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit (also Körperverletzung) ferner eine Verletzung auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zum Nachteil anwesender Dritter sowie eine Straftat gegen die Umwelt (nach § 330a StGB).
Na und wird manch einer nun sagen: Der Wirt raucht ja nicht, das tun die Gäste und wer so eine Lokalität betritt, der stimmt ja zu. Und hier unterliegen viele einem Irrtum. Eine stillschweigende rechtswirksame Einwilligung nach §228 StGB zur Körperverletzung kann aus dem Betreten einer Lokalität und auch aus dem Aufenthalt vor Ort nicht pauschal abgeleitet werden. Einerseits deshalb nicht, weil hier Sittenwidrigkeit unterstellt werden kann, andererseits nicht, weil der/die Geschädigten sich über die Tragweite und die Bedeutung im Klaren sein müssen bzw. diese erkennen können müssen (Stichwort: Geistige Reife – z.B. bei Kindern und Jugendlichen).
Davon abgesehen würde es den Wirt nur teilweise aus der Verantwortung ziehen, wenn man ihm zu Gunsten die Sittenwidrigkeit außer Acht lässt und eine rechtswirksame Einwilligung unterstellt: Es bleiben weitere Straftaten im Raum stehen – so z.B. die schwere Gefährdung durch Freisetzen von Giften und der Eingriff in das Recht auf freie Entfaltung.
Hierbei spielt es zwar eine Rolle, wenn der Wirt selbst nicht aktiv handelnder Täter ist – jedoch gibt es im Strafrecht die sog. „Mittäterschaft“, die „Anstiftung“, die „Beihilfe“ und auch die „Unterlassung“. Zusätzlich wird u.a. auch noch zwischen „Vorsatz“ und z.B. „Fahrlässigkeit“ unterschieden. Das bedeutet: Der Wirt steht unweigerlich in der „Schusslinie“, wenn er strafbare Handlungen in seinem Verantwortungsbereich zulässt, fördert oder begeht und/oder wenn er es unterlässt, Abhilfe zu leisten.
So kann bereits das Aufstellen eines Tabakautomaten als Anstiftung oder Beihilfe zur Körperverletzung und zur schweren Gefährdung durch Freisetzen von Giften gewertet werden, da dem Wirt klar sein muss, dass die gekauften Produkte durch bestimmungsgemäßen Gebrauch eine Straftat nach sich ziehen können. Spitzfindige Personen mögen anführen, dass dies auch auf andere Produkte zutrifft – so z.B. auf Messer oder andere Waffen. Hier ist aber zu beachten, dass es einerseits bestimmte Auflagen beim Waffenkauf gibt und andererseits der bestimmungsgemäße Gebrauch von Sportwaffen oder Jagdmessern nicht einen rechtswidrigen Angriff auf Dritte einschließt.
Aber weg von den Spitzfindigkeiten: Ein Wirt, der in seinem Betrieb Aschenbecher aufstellt, Streichhölzer oder Feuerzeuge bereit hält, Tabakautomaten aufstellt, das Rauchen gestattet oder duldet, der stiftet anwesende Raucher an und leistet ihnen Beihilfe – vorsätzlich. Unterlässt er es z.B. nach einer Beschwerde, diesen Zustand abzustellen, kommt die Unterlassung hinzu. Inwieweit die Gewerbsmäßigkeit dabei noch eine Rolle spielen könnte und ob man niedere Beweggründe unterstellen kann lasse ich offen
Soweit zur Theorie. Wie aber sieht es in der Praxis aus?
Richter und Staatsanwälte neigten in der Vergangenheit (und auch in der jüngeren Gegenwart) dazu, das Rauchen als eine „sozial adäquate“ Handlung zu bezeichnen und sich damit der „lästigen“ Fälle zu entledigen, die auf Grund der Tatsache, dass teilweise Amtsdelikte (und keine Antragsdelikte) vorliegen, Ermittlungen, Zeugenvernehmung und eventuell Verhandlungen sowie den ganzen verbundenen Papierkram und Zeitaufwand nach sich ziehen würden.
Die Zeiten ändern sich aber. Heutzutage und in Anbetracht der öffentlichen Diskussionen, der gesetzgeberischen Aktivitäten, der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes, der Kennzeichnungspflichten für Tabakprodukte sowie internationalen Trends und wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen kann ein Staatsanwalt den Abweisungsgrund der „sozialen Adäquanz“ nicht mehr anführen, ohne sich selbst dem Risiko auszusetzen, dem Verdacht der Rechtsbeugung oder Strafvereitelung anheim zu fallen.
Somit steigt trotz immer noch widriger Umstände und völlig unabhängig von irgendwelchen Raucherschutzgesetzen für Wirte gemeinsam mit der vermeintlichen Freiheit auch das Risiko, wegen Straftaten belangt zu werden, die sehr hohe Strafen bis hin zu langjährigen Gefängnisaufenthalten nach sich ziehen können. Gleiches gilt auch für seine Erfüllungsgehilfen, die sich u.U. ebenfalls diesem Risiko aussetzen.
So kann es dann kommen, dass sich der vermeintliche Sieg der Tabaklobby am Ende als ein Pyrrhussieg für die Wirte darstellt, die mit der Freiheit auch die Verantwortung tragen und die Richtigkeit des Sprichwortes „Keine Freiheit ohne Risiko“ möglicherweise neu entdecken werden.
So unzureichend und ungerecht die Nichtrauchergesetze auch waren: Sie haben wenigstens einen Teil der Wirte vor sich selbst geschützt. Nun kommen neue Gesetze mit mehr vermeintlichen Freiheiten (dadurch aber auch neuen Ungerechtigkeiten) und damit unweigerlich mehr Verantwortung und mehr Risiko.
In die selbstgestellte Falle gelaufen
Weise wäre es gewesen, wenn sich die Wirte nicht hätten durch die Tabaklobby instrumentalisieren lassen sondern eine einheitliche Front für eine einheitliche Lösung ohne willkürlich festgelegte Ausnahmen gebildet hätten – damit wären mehrere Probleme auf einmal gelöst worden: Das Problem der Ungerechtigkeit, das Problem der Wettbewerbsverzerrung, das Risiko rechtlich belangt zu werden, die Kosten für teure Umbauten etc.
Stattdessen unterlagen einzelne Wirte dem Sirenengesang von fragwürdigen Vereinen wie dem VEBWK und anderen Steigbügelhaltern der Tabaklobby wie z.B. dem DEHOGA und verfolgten das Ziel der Selbstbeschränkung, in dem sie sich für das allgegenwärtige Rauchen eingesetzt haben – ignorierend, dass dieses Geschäftsmodell nur nur etwa 1/4 der Bevölkerung wirklich anspricht.
Der große Irrtum dabei: Aus Sicht der Wirte, die über Jahrzehnte hinweg den Qualm bei sich hatten, gibt es mehrheitlich nur Raucher – denn nur die nehmen sie mehrheitlich wahr. Der für die Wirte logische Schluss aus dieser Wahrnehmung ist, dass Rauchverbote unweigerlich zu existenzbedrohenden Maßnahmen führen, weil ja die Raucher wegbleiben oder (sofern es Ausnahmen in den Gesetzen gibt) abwandern.
Tatsächlich liegt der Raucheranteil in Deutschland bei etwa 1/4 der Bevölkerung. Das bedeutet, dass rund 3/4 der Bevölkerung rauchfreien Angeboten den Vorzug geben, wenn sie die Möglichkeit dazu erhalten. Die subjektive Wahrnehmung der Wirte bestätigt diese Aussage: Wenn Kneipen und Restaurants von rauchenden Gästen dominiert werden, dann nur deshalb, weil diese Art von Geschäftsmodell die große Masse der Bevölkerung gar nicht anspricht. Wäre es anders, würden auch die Wirte eine andere subjektive Wahrnehmung besitzen und einen Teufel tun, sich für das Rauchen einzusetzen und sich damit auf weniger als 1/4 vom Kuchen zu konzentrieren, obwohl sie mehr als 3/4 haben könnten.
Jedoch unterliegen die Wirte noch immer zu einem großen Teil dieser subjektiven – aber falschen – Wahrnehmung und werden in ihren Ängsten vor „Rauchverboten“ durch besagte Interessenverbände bestätigt, die ihnen Umsatzverluste prophezeien und mit „Taschenspielertricks“ den vermeintlichen Beweis für die Richtigkeit dieser Prognosen liefern.
Die Tatsachen sehen aber auch hier anders aus. Fakt ist, dass das Gastgewerbe seit mehr als 8 Jahren an sinkenden Umsätzen leidet. Seit 2001 geht es stetig bergab. Über die Ursachen kann man nun spekulieren. Einige Stimmen behaupten, dass dieser Rückgang eine Folge der mit der Euro-Umstellung einhergegangenen drastischen Verteuerungen ist, andere führen die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung im Land zurück (stagnierende Löhne, Inflation, allgemein steigende Preise, sinkende Kaufkraft) oder den Trend zu gesundheitsbewussterem Leben. Die Wahrheit liegt vielleicht irgendwo dazwischen. Unabhängig von den Gründen bleibt aber die Tatsache bestehen, dass die gesamte Branche seit vielen Jahren an schwindenden Umsätzen leidet, die nicht die Folge von Rauchverboten sein können – denn die betreffenden Gesetze gibt es nicht einmal 2 Jahre.
Gut beraten wären die Wirte, wenn sie die Zeichen der Zeit endlich erkennen und – auch unabhängig von der Gesetzeslage – Einheit demonstrieren und das Rauchen aus den Stuben, Kneipen und Restaurants verbannen. Die Folge wäre, dass Raucher – wie jetzt auch – zum Rauchen vor die Tür gehen, dafür aber die Lokalitäten allen Menschen offen stehen und somit auch die 3/4 Nichtraucher wieder von den Wirten angesprochen werden. Auch mit Blick auf den Tourismus wäre das eine weise Entscheidung, wenn man auf die zunehmende Zahl von Ländern – auch in Europa – schaut, die sich vom Dunst befreien und umso erfolgreicher sind, je konsequenter und entschlossener sie das tun.
Zwar wird das nicht über Nacht die Umsätze verdoppeln oder große Zuströme neuer Kundschaft nach sich ziehen – vor allem, solange keine Einheitlichkeit nach außen demonstriert wird – mittelfristig bereits aber könnte das die neuen Impulse für das Gastgewerbe geben, die derzeit fehlen.