27.02.2009 Mein Chef, Martin heißt er, ist eigentlich ein netter und sympathischer Kerl. Wir unterhalten uns oft und angeregt. Wenn es aber ums Thema „Rauchen am Arbeitsplatz“ geht, dann macht er dicht – vielleicht, weil er selbst gerne ab und an eine Zigarre pafft.
Und so kam es dann, dass er sich dazu hat hinreißen lassen, für die Raucher einen eigenen Raum einzurichten und sogar eine spezielle Lüftung einzubauen. Die Kosten für diese Maßnahme lagen etwa bei 73.000 EUR inkl. Mobiliar. Nun haben unsere Raucher ein ca. 20 m2 großes Refugium mit Sesseln, Tischen, Kaffeemaschine und eigener Lüftung. Er wollte nicht, dass die Raucher vor der Tür herumlungern und Kunden, die nun einmal kommen, als erstes Kippen und Rauch wahrnehmen – und außerdem taten ihm die armen Raucher leid, die draußen im Winter frieren.
Dass es sich hier um eine Fehlinvestition handelt und es aus betriebswirtschaftlicher Sicht gar keinen Grund für eine solche Investition gibt, sondern im Gegenteil es betriebswirtschaftlich betrachtet sinnvoll ist, Rauchen am Arbeitsplatz und auf dem Firmengelände grundsätzlich zu untersagen, dämmert auch Martin langsam. Nur etwas spät: Das Geld ist weg.
Aber warum ist es nicht sinnvoll, einen gut abgedichteten und mit eigener Lüftung versehenen Raucherraum einzurichten? Um das zu verdeutlichen, gebe ich ein kleines Beispiel: Ende Dezember hatten wir den Raum noch nicht. Wer rauchen wollte, musste sich eine Jacke anziehen, seinen Arbeitsplatz verlassen, den Aufzug ins Erdgeschoss nehmen und sich vor die Tür stellen. Im Schnitt sind unsere rauchenden Kollegen pro Tag 3-4x für je ca. 10 Minuten verschwunden.
Jetzt können die Kollegen die Treppe in die nächste Etage nehmen und sich zum Schwatzen im Warmen auf bequemen Sesseln treffen. Die Folge: Im Schnitt sind die rauchenden Kollegen jetzt 6-7 pro Tag für ca. 10 Minuten weg. Mehr als 1 Stunde Arbeitszeit geht so jeden Tag verloren – das macht übers Jahr verteilt im Mittel mehr als 25 Arbeitstage pro Raucher aus.
Nun ist es ja nicht so, dass Nichtraucher nicht gelegentlich den Platz verlassen würden – jeder braucht mal einen Kaffee. Beobachte ich das aber über den Tag verteilt, dann komme ich so im Schnitt auf 2-3 mal ca. 10 Minuten. Das macht im Jahr etwa 12 Tage aus. Nichtraucher arbeiten also im Durchschnitt deutlich mehr – zumindest bei uns. Summiert man das auf, kommt man auf eine Differenz von rund 12 Tagen pro Jahr.
Dass irgendwann diese Ungerechtigkeit auffällt und das Verständnis dafür insbesondere unter den Kollegen schwindet, die wegen der schlaraffenlandähnlichen Situation für Raucher Überstunden schieben müssen, leuchtet jedem ein. Und so stört nicht nur der Mief in den Kleidungsstücken der Raucher das Betriebsklima, sondern auch deren unkollegiales Arbeitsverhalten.
Martin, mein Chef, denkt mittlerweile wieder darüber nach, den Raucherraum zu schließen. Nicht ganz ohne mein Zutun, weil ich ihm nämlich vorgerechnet habe, welches Eigentor er sich geschossen hat und ihm deutlich machte, wie groß der Unmut unter der restlichen Belegschaft mittlerweile ist.
Zwar ärgert er sich über die rund 70.000 EUR, die er in den Sand gesetzt hat, aber er sieht eben auch, dass es so nicht funktioniert. Stattdessen will er künftig das Rauchen auf dem ganzen Betriebsgelände untersagen und jedem Raucher das Angebot unterbreiten, einen Entwöhnungskurs zu bezahlen.
Mein persönliches Fazit und meine Empfehlung an Arbeitgeber sind recht einfach: Das Einrichten eines Raucherraums oder die Gestattung des Rauchens auf dem Betriebsgelände sind genaus wenig sinnvoll wie das Einrichten einer betriebseigenen Kneipe oder das Gestatten von Alkoholkonsum zur Arbeitszeit. Rauchen ist ebenso wie Alkoholismus ein persönliches Problem des Betroffenen, auf das Arbeitgeber nur insofern Rücksicht nehmen müssen, als es ihrer Fürsorgepflicht obliegt. Kein Arbeitgeber ist verpflichtet, Raucherpausen zu bezahlen oder das Rauchen auf dem Firmengelände zu gestatten – im Gegenteil sprechen gute Gründe dagegen.
Arbeitgeber, die dennoch das Rauchen fördern (denn um nichts anderes geht es bei der Einrichtung von Raucherräumen oder dem Gestatten des Rauchens auf dem Firmengelände), sollten sich vor Augen halten, dass sie Rauchern eine bevorzugte Behandlung zukommen lassen. Dadurch entsteht nicht nur ein potenzielles rechtliches Risiko, sondern vor allem auch ein moralisches Problem. Umgehen können Arbeitgeber dieses Problem, indem sie ihren nicht rauchenden Angestellten künftig 12 Tage mehr Urlaubsanspruch zubilligen.