Seehofer – Ein Mann für jede Nummer

24.07.2006  Vollmundig verkündete Seehofer nach dem Scheitern seiner Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen ein Tabakwerbeverbot, er sei für ein generelles Rauchverbot in öffentlichen Räumen wie etwa Krankenhäusern, Flughäfen, Bahnhöfen und Restaurants (Rheinische Post und ntv, 18.6.2006).
Das war der Salto vorwärts, der alle in Staunen versetzte, die seine Hinhalte- und Verweigerungstaktik beim Nichtraucherschutz in den letzten Jahren verfolgt haben.

Als Gesundheitsminister im Kabinett Kohl hatte er auf Kosten des Steuerzahlers ein Gutachten erstellen lassen, das er dann jahrelang in der Schublade verschwinden ließ. Das Gutachten (vom Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung unter Federführung von Dr. Hanewinkel ) wies nach, dass die Tabakwerbung Jugendliche zum Rauchen verführt, was die Tabakkonzerne und die mit ihnen kungelnden Zeitungsverleger immer abgestritten hatten.

In seine Amtszeit als Gesundheitsminister fällt auch das Scheitern eines Nichtraucherschutzgesetzes im Deutschen Bundestag. Seehofer hatte sich in der hitzig geführten Debatte gegen einen entsprechenden Gruppenantrag von Abgeordneten aller Fraktionen gewandt und gesagt, die Bürger wollten vom Staat nicht immer mehr in ihren Lebensgewohnheiten kontrolliert werden.

In dem Gruppenantrag hatten sich 130 Abgeordnete von CDU, SPD, FDP, Grünen und PDS für ein Rauchverbot am Arbeitsplatz, in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln ausgesprochen. Nach einer heftigen Debatte votierten 336 Abgeordnete gegen ein Nichtraucherschutzgesetz (in vorderster Front Deutschlands Gesundheitsschützer Nr. 1, Seehofer), 256 stimmten dafür.

Nun zur Rolle rückwärts: Heute wird der „gefühlte Gesundheitsminister“ Seehofer in einer DPA-Meldung mit den Worten zitiert: „Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) will mit der Entscheidung über ein Rauchverbot in Gaststätten noch warten.“

Damit hat er sich wieder in seinen Lieblingsstuhl gesetzt, dem Schaukelstuhl, immer auf der Hut, auf dem Strom der öffentlichen Meinung zu schwimmen und dort den Ton anzugeben. Nachdem sich schon seine ehemaligen Kollegen, die Gesundheitsminister der Länder, gegen ein Rauchverbot in Restaurants, Kneipen und Bars ausgesprochen hatten, dafür aber ein Rauchverbot in Ämtern, Schulen und Kindertagesstätten forderten, rudert Seehofer wieder zurück und ist für das, wofür schon alle sind. Schließlich hat sich auch der Zigarettenkonzern B.A.T. für ein „weiches Rauchverbot“ ausgesprochen. Die Absicht ist klar: Ein Rauchverbot in Restaurants muss verhindert werden.

In Bayern würde man sagen: „Der Seehofer is scho a Hund“. Damit lobt der Bayer gewöhnlich eine Person für deren Raffinesse und Geschicklichkeit, sich in Szene zu setzen.

Während nämlich andere schon im Urlaub sind, nutzt Seehofer das Sommerloch zur Verbesserung seines Images und gibt auch schon mal die Terminplanung für die Gesundheitsministerin vor, auf deren Stuhl er am liebsten selbst säße.

„Nach der Sommerpause besprechen wir in der Koalition, wer initiativ wird: Die Bundestagsfraktionen oder die Bundesregierung, also Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und ich“. (Am 23.7.2006 im Interview mit dem Tagesspiegel)

„Der Chefankündigungsonkel und Sprücheklopfer Seehofer“, so Amtsvorgängerin Renate Künast von den Grünen, solle erst mal seine eigenen Hausaufgaben machen und das von der EU geforderte Tabakwerbeverbot in nationales Recht umwandeln. Bekanntlich hatte auf Betreiben von Künast die rot-grüne Regierung als eine ihrer letzten Amtshandlungen dem Bundestag einen Gesetzesentwurf zum Tabakwerbeverbot vorgelegt, den Seehofer gleich nach Amtsantritt wieder kassiert hatte.

Pro Rauchfrei hat die Strategie der Kreidefresser längst durchschaut und wird sich nicht von seinen wesentlichen Zielen abbringen lassen: dem Rauchverbot in Gaststätten, Kneipen, Cafés, Bars, Diskotheken und Bierzelten. Schließlich ist die Feinstaubbelastung in diesen Etablissements bis zu 10-mal höher als auf einer verkehrsreichen Hauptstraße. Sie sind zudem der Drogenumschlagsplatz Nummer 1 für die staatlich mit Steuerbanderole verordnete Tabakdroge, auf dem schon Kinder und Jugendliche auf das Erwachsensein eingestimmt werden.

Warum schauen wir eigentlich immer so gerne auf die „unterentwickelten Staaten“ und gucken umso lieber weg, wenn entwickelte Staaten wie Irland und Italien an Deutschland vorbeiziehen? Ganz klar: „Was für Afghanistan die Rauschgiftdroge, ist für Deutschland die Rauchgiftdroge“ (Siegfried Ermer, Nov. 2005). Mit dieser Doppelmoral muss endlich Schluss sein!